Und wenn wir fliehen (German Edition)
Zaun klammerte. Einen Moment lang kippte ich auch zur Seite.
Ich knallte mit dem Schienbein gegen das Holz und konnte mich, das Bein um den Pfosten gedreht, gerade noch halten. Die Kühlbox baumelte nur ein paar Zentimeter über dem Schnee an meinen Fingern. Durch den plötzlichen Ruck begann meine Schulter zu pochen. Ich biss die Zähne zusammen, zog die Box zurück auf den Zaun und rutschte die nächsten dreißig Zentimeter vorwärts.
»Kae?«, rief Gav.
»Alles okay«, antwortete ich. »Langsam hab ich den Bogen raus.«
Meine Schulter schmerzte immer noch, während ich weiterkletterte, an den Pfosten war ich jetzt allerdings vorsichtiger, und die Box blieb an ihrem Platz. Als ich an den ersten Bäumen vorbei war, sprang ich in den Schnee. Ich schluckte, die Kälte brannte mir im Hals. Hinten am Wohnwagen setzte Gav bereits den ersten Fuß auf den Zaun.
Die Jungs hatten beobachtet, wie ich es machte und folgten nun weniger zögerlich. Als Gav auf halbem Weg zu den Bäumen war, kam Justin. Die Bretter knarrten, aber sie hielten. Kaum war Gav neben mir abgesprungen, kletterte Leo schon auf den Zaun. Fast ohne den oberen Querbalken mit den Händen zu berühren, rutschte er rasch darauf entlang.
Gav gab mir die Tasche zurück, und wir kauerten uns ins dichte Unterholz, von wo aus wir den Wohnwagen auf der Lichtung noch erkennen konnten. Die Nacht war hereingebrochen, und der Schnee begann sich grau zu verfärben, während sich am Himmel nach und nach die funkelnden Sterne zeigten. Justin schritt hinter uns auf und ab.
Als er nicht aufhörte, sagte ich: »Verhalt dich ruhig. Du kannst hier nicht so durch die Gegend rennen, wenn sie auftauchen, sonst hören sie dich womöglich.«
Er stöhnte genervt, hockte sich jedoch einen Augenblick später neben uns.
Kurz darauf kam Leo an. »Ich komme mir vor wie in einem James-Bond-Film«, scherzte er. »Bloß dass es nicht so viel Spaß macht, wie es im Kino immer aussieht.« Die Nervosität in seiner Stimme raubte dem Witz allerdings jegliche Wirkung.
Als auch Tobias es geschafft hatte, zog Justin seine Kapuze tiefer.
»Also, was machen wir jetzt?«
»Was schlägst du vor?«, fragte ich Tobias. Er war der Einzige von uns, der gelernt hatte, wie man sich vor einem Feind versteckt. »Sollen wir weiter in den Wald hineingehen?«
Er betrachtete die Bäume. »Ich denke, wenn wir uns einfach ruhig verhalten, werden sie uns jetzt, wo es draußen dunkel ist, kaum entdecken. Es sei denn, sie kommen direkt in den Wald. Aber da wir keine Spuren hinterlassen haben, gibt es keinen Grund, warum sie das tun sollten. Ich würde lieber hierbleiben, wo ich ein Auge auf sie haben kann.«
Also hockten wir da, dicht zusammengedrängt und schweigend, während sich das dunkle Blau des Himmels in tiefes Schwarz verwandelte. Von den Zweigen über unseren Köpfen wehten ein paar Schneeflocken. Gav legte seine Hand um meine und drückte sie fest. Irgendwo in der Ferne rumpelte leise ein Motor. Kurz darauf hörte ich das Geräusch erneut, und es wurde lauter.
Tobias griff in seine Jacke und zog eine große schwarze Pistole hervor. Justin pfiff leise durch die Zähne, woraufhin Gav ihm einen Stoß mit dem Ellbogen versetzte. Tobias legte die Waffe, die Mündung von uns weg gerichtet, auf seine Knie. Ich merkte, wie ich sie anstarrte.
»Ich hab nicht vor, sie zu benutzen, wenn ich nicht muss«, raunte er. »Aber falls nötig …« Er warf Leo einen Blick zu. »Hast du die Leuchtpistole noch?«
Leo nickte, mit todernstem Gesicht.
Wir warteten. Das Brummen des Motors kroch stetig näher. Am Highway flackerten Lichter. Das Brummen ebbte ab und hörte dann ganz auf. Autotüren wurden zugeschlagen.
»Hallo?«, rief eine Frauenstimme. »Wir kommen wegen dem Funkspruch. Um euch abzuholen, wie versprochen.«
Die Wohnwagentür knarzte, als sie geöffnet wurde.
»Niemand da«, sagte kurz darauf eine Männerstimme. »Vielleicht sind wir hier falsch.«
»Aber das ist ein Wohnwagen, etwas mehr als fünf Kilometer außerhalb der Stadt, genau wie sie gesagt haben. Und sieh dir mal die Fußabdrücke an. Hier war jemand.«
Sie kamen seitlich um den Wohnwagen herum, die Strahlen ihrer Taschenlampen wurden vom Schnee reflektiert, und mir stockte der Atem. Die Frau, die voranging, zog ihre rote Mütze über dem blonden Haar glatt, klemmte sich ihr Gewehr unter den Arm und tippte mit der Stiefelspitze an einen der Betonblöcke. Neben ihr her schlenderten zwei Männer.
Es war die Frau, die ich in dem
Weitere Kostenlose Bücher