Undank Ist Der Väter Lohn.
gegenüber Inspector Lynley zu erfüllen. Dieser ganze Quatsch führte doch zu nichts weiter als zu der unerfreulichen Erkenntnis, daß sie sich hier langsam die Augen ruinierte.
Nach der Durchsuchung von Terry Coles Wohnung waren Nkata und Barbara ins Yard gefahren und hatten sich dort getrennt, nachdem sie das Cannabis und den Karton mit den Postkarten bis auf weiteres auf dem Vordersitz von Barbaras Mini deponiert hatten. Nkata war gleich wieder losgefahren, um den Bentley zu Lynleys Wohnung in Belgravia zu bringen, und Barbara hatte sich widerwillig an den Computer geschleppt, um ihre Pflicht zu tun.
Gebracht hatte das bis jetzt gar nichts, was sie jedoch nicht sonderlich wunderte. Die Postkarten, die sie in der Wohnung in Battersea gefunden hatten, waren für sie ein erster deutlicher Hinweis darauf, daß der Killer, den sie suchten, Terry Cole gemeint hatte und nicht Nicola Maiden; und wenn sich nicht irgendwie ein Zusammenhang zwischen Terry Cole und Andy Maidens Tätigkeit bei der SO10 herstellen ließ, war dieses ganze Herumschnüffeln in alten Akten nichts weiter als Zeitverschwendung. Höchstens ein Name, der ihr bluttriefend aus dem Bildschirm entgegengesprungen wäre und lauthals geschrieen hätte: Ich bin’s, Baby!, hätte sie noch vom Gegenteil überzeugen können.
Aber sie wußte natürlich, daß es in ihrem eigenen Interesse war, sich an Lynleys Anordnungen zu halten. Sie hatte also pflichtschuldig die Akten gelesen, die sich auf die fünfzehn Namen auf Lynleys Liste bezogen, und hatte sie nach eigenem Gutdünken in verschiedene, wenn auch nutzlose Kategorien eingeteilt – Drogen, mögliche Erpressung, Prostitution, organisiertes Verbrechen und Auftragsmord. Sie hatte die Namen von Lynleys Liste den einzelnen Gebieten zugeordnet und dazu vermerkt, in welchem Gefängnis der jeweilige Übeltäter gelandet war. Sie hatte ermittelt, wie lange er sitzen mußte, und damit begonnen herauszufinden, welche der Straftäter inzwischen auf Bewährung frei waren. Die derzeitigen Aufenthaltsorte der ehemaligen Knastbrüder ausfindig zu machen würde jedoch zu dieser späten Stunde unmöglich sein, das wußte sie. In dem Gefühl, gehorsam ihre Pflicht getan zu haben, beschloß sie deshalb um halb eins, für diese Nacht Feierabend zu machen.
Es war kaum Verkehr, so daß sie schon um eins zu Hause war. Beschäftigt mit Gedanken an Terry Cole und an ein mögliches Motiv für seine Ermordung, das sich vielleicht aus dem sichergestellten Material ergeben würde, nahm sie den Karton mit den Postkarten und trug ihn durch den dunklen Garten zu ihrem Häuschen.
Der Anrufbeantworter blinkte hektisch, als sie mit der Schulter die Tür aufdrückte und den Karton auf den Tisch hievte. Sie machte Licht, packte einen Stoß Postkarten – sie waren mit Gummibändern gebündelt – und ging durch das Zimmer, um zu hören, wer angerufen hatte.
Die erste Nachricht war von Mrs. Flo, die ihr erzählte: »Ihre Mutter hat sich heute morgen Ihr Foto angesehen, Barby, und Ihren Namen gesagt. Hellwach und klar. Sie sagte: ›Das ist meine Barby-‹ Was sagen Sie dazu? Ich wollte Ihnen das nur erzählen, weil ... nun ja, es bekümmert einen schon, nicht wahr, wenn sie gar so verwirrt ist. Und diese dumme Geschichte mit – wie hieß sie gleich – Lilly O’Ryan? Ach, spielt ja keine Rolle. Heute war sie jedenfalls den ganzen Tag in bester Verfassung.
Machen Sie sich also keine Sorgen, daß sie Sie vergessen haben könnte. Das hat sie nicht. Also, Kind, ich hoffe, es geht Ihnen gut. Bis bald. Bye, Baby. Bye, bye.«
Man muß für alles dankbar sein, dachte Barbara. Ein Tag Klarheit im Vergleich zu Wochen und Monaten der Verwirrung war zwar kaum ein Anlaß zum Feiern, aber sie hatte gelernt, bescheiden zu sein, wenn es um das Befinden ihrer Mutter ging.
Die zweite Nachricht begann mit einem fröhlichen: »Hallo! Hallo!«, dem drei ziemlich schrille Pfeiftöne folgten. »Hast du das gehört? Ich lerne jetzt Flöte. Ich hab sie erst heut nach der Schule bekommen, und ich soll im Orchester mitspielen. Sie haben mich extra gefragt, und da hab ich Dad gefragt, ob das okay ist, und er hat ja gesagt, und darum spiel ich jetzt Flöte. Ich kann’s bloß noch nicht so gut. Aber ich übe. Ich kann schon die Tonleiter. Hör mal.« Es krachte und polterte, als der Hörer schwungvoll auf irgendeiner harten Oberfläche abgelegt wurde. Dann folgten acht sehr zögerliche Töne, so schrill wie die ersten drei. Danach: »Hast du’s gehört? Die
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