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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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möglichst einfach bleibt.«
    Deswegen hatte sie den Pager an sich genommen. Weil dieser Mann, der ihre Tochter Nikki nannte, der gesagt hatte, daß sie ihm fehle, daß ein Leben ohne sie unmöglich geworden sei, daß er sich nach ihr sehne und nach dem, was sie allein ihm geben könne ... weil dieser Mann eine zusätzliche Komplikation bedeutete, die sie alle in unvorstellbares Entsetzen stürzen konnte. Und da sie den Mann selbst nicht vernichten konnte, hatte sie die einzige Verbindung zu ihm vernichtet, die es gab oder je geben würde.
     

14
    Bei ihrer letzten abendlichen Runde durch das Haus traf Samantha im Wohnzimmer auf ihren Onkel Jeremy. Sie hatten Türen und Fenster überprüft – mehr aus Gewohnheit als aus Angst vor Einbrechern, denn es gab längst nichts mehr im Haus, was einen Einbruch gelohnt hätte – und war ins Wohnzimmer gegangen, um auch dort nach dem Fenster zu sehen, bevor sie bemerkte, daß ihr Onkel da war.
    Die Lichter waren aus, aber nicht, weil Jeremy geschlafen hätte. Er war dabei, sich einen alten Achtmillimeter-Film anzusehen. Der Projektor ratterte, als pfiffe er auf dem letzten Loch. Die Bilder liefen nicht über eine Leinwand, da es Jeremy zuviel Mühe war, das Ding erst aufzustellen. Sie bewegten sich zitternd über ein Regal voll modriger alter Bücher, deren gekrümmte Rücken die Gestalten verzerrten, die auf Zelluloid gebannt worden waren.
    Er schwelgte in Erinnerungen an einen längst vergangenen Geburtstag. Broughton Manor erhob sich im Hintergrund – Jahre bevor der Verfall begonnen hatte –, während im Vordergrund ein Clown mit Schlapphut für eine Gruppe kleiner Kinder mit bunten Papphütchen auf den Köpfen den Rattenfänger spielte. Der Clown führte sie den Hang hinunter zur alten Brücke, die über den Wye hinweg zu einer großen Wiese führte. Auf dieser Wiese wartete ein Pony, an den Zügeln gehalten von einem Mann, dessen Ähnlichkeit mit dem erwachsenen Jeremy Samantha verriet, daß sie ihren Großvater mütterlicherseits als sehr jungen Mann vor sich hatte. Während sie zusah, rannte der kleine Junge, der ihr Onkel einmal gewesen war, über die Wiese und warf sich seinem Vater überschwenglich in die Arme. Er wurde auf das Pony gesetzt, während die anderen Kinder – unter ihnen Samanthas Mutter – Pferd und Reiter umringten und der Clown zu unhörbarer Musik ein Tänzchen aufführte.
    Die Szene wechselte abrupt, führte zu einem festlich geschmückten Geburtstagstisch unter einem alten Baum. Dieselben Kinder rutschten aufgeregt auf ihren Stühlen herum, und eine Frau trug eine Torte ins Bild, auf der fünf Kerzen brannten. Das Kind Jeremy stellte sich auf seinen Stuhl, um die Kerzen auszublasen und sich etwas zu wünschen. Der kleine Junge verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe gestürzt, hätte seine Mutter ihn nicht aufgefangen. Lachend winkte sie in die Kamera und senkte die Arme, um ihren Sohn an sich zu drücken.
    »Keine zwei Jahre später war sie tot«, murmelte Jeremy Britton, ohne sich von dem Bild abzuwenden, das auf den Bücherrücken flimmerte. Seine Worte waren nur leicht verzerrt, bei weitem nicht so unverständlich wie sonst um diese Tageszeit. »Sie stand in Longnor an der Kasse und wollte das Kleingeld aus ihrem Portemonnaie nehmen, um mir einen Beutel Chips zu kaufen – mein Gott, kannst du dir das vorstellen? –, und ist einfach tot umgefallen. War schon tot, bevor sie den Boden berührte. Und ich hab noch gesagt: ›Mama, was ist mit meinen Chips?‹ Guter Gott!« Jeremy hob sein Glas und trank. Er stellte es so sicher auf den Beistelltisch neben seinem Sessel, daß Samantha sich fragte, ob er überhaupt Alkohol trank. Er drehte den Kopf und blickte blinzelnd in ihre Richtung, als wäre das Licht, das aus dem Korridor hereinfiel, zu grell. »Aha! Du bist es, Sammy. Willst du dem schlaflosen Schloßgespenst ein wenig Gesellschaft leisten?«
    »Ich wollte nach den Fenstern sehen. Ich hab nicht gewußt, daß du noch auf bist, Onkel Jeremy.«
    »Ah.« Der Film lief weiter. Der kleine Jeremy und Mama waren jetzt hoch zu Roß, Jeremy auf dem Geburtstagspony und Mama auf einem nervösen Braunen. Die Pferde galoppierten der Kamera entgegen, und Jeremy klammerte sich an den Sattelknauf, als gelte es sein Leben. Wie ein Gummiball hüpfte er im Sattel auf und nieder. Seine kleinen Füße waren aus den Steigbügeln gerutscht. Die Pferde hielten an, und Mama sprang aus dem Sattel, packte ihren kleinen Sohn und schwang ihn lachend im Kreis

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