Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
daß sie irgend etwas sagen mußte, und eine konventionelle Erklärung des Bedauerns das einzige war, was ihr im Moment einfiel, um ihn am Weiterreden zu hindern. »Julians wegen tut es mir leid. Er ist völlig fertig, Onkel Jeremy.«
    »Richtig. Und das ist genau der Punkt, an dem wir ansetzen werden.«
    »Was meinst du?«
    »Mir gegenüber brauchst du nicht die Unschuld vom Land zu spielen. Und sei verdammt noch mal nicht dumm! Der Weg ist frei, jetzt muß geplant werden. Du hast dir genug Mühe gemacht, ihn für dich zu gewinnen –«
    »Du täuschst dich.«
    »– und hast eine gute Grundlage geschaffen. Und auf dieser Grundlage werden wir jetzt aufbauen. Natürlich dürfen wir nichts überstürzen. Du kannst ihn jetzt nicht gleich in seinem Schlafzimmer überfallen. Alles zu seiner Zeit.«
    »Onkel Jeremy, ich denke nicht –«
    »Gut. Denk nicht. Überlaß das mir. Geh von jetzt an einfach den geraden Weg.« Er hob sein Glas an die Lippen und sah sie über den Rand hinweg scharf an. »Raffinierte Winkelzüge schaden nur. Da gehen die Pläne meistens schief. Wenn du weißt, was ich meine. Und ich denke, das weißt du.«
    Samantha schluckte, wie festgenagelt durch seinen Blick. Wieso konnte ein alternder Alkoholiker – ein verdammter Säufer, Herrgott noch mal – sie so leicht aus der Fassung bringen? Er hatte allerdings in diesem Moment wenig mit einem Säufer gemein. Verwirrt ging sie zu den Fenstern und überprüfte, wie das ursprünglich ihre Absicht gewesen war, ob alle verschlossen waren. Hinter sich hörte sie das Ende des Filmstreifens schnalzend gegen die Spule klatschen, während der Projektor weiterlief. Jeremy schien es nicht zu bemerken.
    »Du willst ihn doch haben, oder?« fragte er sie. »Lüg mich jetzt nicht an. Wenn ich dir helfen soll, den Jungen einzufangen, muß ich die Tatsachen wissen. O nein, natürlich nicht alle, um Gottes willen. Nur die eine, die wichtig ist, ob du ihn überhaupt willst.«
    »Er ist kein Junge. Er ist ein Mann, der –« »Richtig.«
»– der weiß, was er will.«
    »Quatsch! Der weiß nur, was sein Schwanz will und wo er ihn reinstecken will. Und wir müssen jetzt nur noch dafür sorgen, daß er ihn dir reinstecken will.«
    »Bitte, Onkel Jeremy ...« Es war gräßlich, unvorstellbar, erniedrigend, sich so etwas anhören zu müssen! Sie hatte ihr Leben immer selbst in die Hand genommen, und sich jetzt in Abhängigkeit zu begeben und einen anderen die Dinge in die Hand nehmen zu lassen, war nicht nur ihrem Wesen völlig fremd, sondern war auch leichtsinnig und konnte gefährlich werden.
    »Sammy, mein kleiner Engel, ich bin doch auf deiner Seite.« Jeremy redete ihr gut zu wie einem verschreckten Hündchen, das man unter dem Tisch hervorlocken will. Sie wandte sich zu ihm um. Er beobachtete sie aus schmalen Augen, das Kinn auf die gefalteten Hände gestützt wie in frommem Gebet. »Ich bin hundert Prozent auf deiner Seite. Aber du mußt auf mich hören, mein Engel. Ich muß genau wissen, wo du stehst, bevor ich was für dich unternehme.«
    »Bevor du etwas unternimmst?« hörte Samantha sich sagen, obwohl sie gar nichts hatte sagen wollen. »Was willst du denn unternehmen, Onkel Jeremy?«
    »Das ist im Moment unwichtig. Sag du mir nur die Wahrheit.«
    Sie wollte sich von ihm abwenden, aber es gelang ihr nicht.
    »Nur eine kleine Tatsache, Sammy: daß du den Jungen haben willst. Glaub mir, mehr brauchst du gar nicht zu sagen. Ich will gar nicht mehr wissen. Nur ob du ihn haben willst. Ende der Story.«
    »Ich kann nicht.«
    »Natürlich kannst du. Das ist doch kinderleicht. Vier kleine Worte. Die bringen dich nicht um. Worte töten nicht. Aber ich vermute, das weißt du bereits.«
    Sie konnte nicht wegsehen. Sie wollte es, bemühte sich verzweifelt und konnte es doch nicht.
    »Ich wünsche mir doch genausosehr wie du, daß du ihn kriegst«, sagte Jeremy. »Du brauchst es nur auszusprechen. Vier kleine Worte.«
    Sie kamen ihr schließlich gegen ihren Willen über die Lippen, als zöge er sie aus ihr heraus, und sie konnte es nicht verhindern.
    »Also gut, ja. Ich will ihn haben.«
    Jeremy lächelte. »Mehr brauchst du mir nicht zu sagen.«
    Barbara Havers war zumute, als säßen unzählige winzige Dornen unter ihren Augenlidern. Seit nunmehr vier Stunden befand sie sich auf ihrer Computerreise durch die SO10- Archive, und sie bereute es inzwischen aus tiefstem Herzen, daß sie Nkata versprochen hatte, die Abend- und Morgenstunden zu nutzen, um ihre Verpflichtung

Weitere Kostenlose Bücher