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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Jurastudium an den Nagel gehängt, um eine Stellung anzunehmen, in der sie – wenn die gut ausgestatteten Büros und der Wagenpark, die zu MKR gehörten, ein Indikator waren – weitaus mehr verdienen konnte. Sie hatte irgendwo einen reichen Liebhaber sitzen gehabt, der sie ausgehalten hatte. Und sie schien nicht daran geglaubt zu haben, daß ihr persönliches Glück von irgendeinem Martin abhing. Gewiß, Martin Reeve hatte sie als nicht unbedingt ehrlich beschrieben, aber vielleicht stellte sich ja noch heraus, daß er der reiche Liebhaber war, den sie suchten. In diesem Fall hatte er sich vor der Polizei natürlich eher abfällig über Nicola äußern müssen, um ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen.
    Was Nicola betraf, so waren sie inzwischen über fast alles im Bilde: von ihrem Lebensstil in London bis zu ihrer Einkommensquelle. Sie wußten zwar noch nicht, warum sie den Sommer über nach Derbyshire gegangen war, um dort in Upmans Kanzlei zu arbeiten, aber was konnte das schon mit ihrer Ermordung zu tun haben?
    In Terry Coles Leben dagegen hatten sie bisher buchstäblich nichts gefunden, was einen Sinn ergab. Bis Barbara die Postkarten entdeckt hatte.
    Ordentlich aufgereiht lagen sie auf ihrer Bettcouch, und sie musterte sie aufmerksam mit gespitzten Lippen. Na los, nun macht endlich! rief sie ihnen zu. Raus damit. Gebt mir was in die Hand. Ich weiß, daß es da ist, ich weiß, eine von euch kann’s mir verraten. Ich weiß es ganz einfach!
    In Gedanken hörte sie noch immer Cilia Thompsons erregten Ausbruch beim Anblick der Karten. »Nie im Leben hätte er mir davon erzählt. Da hätte er sich eher die Zunge abgebissen. Er hat sich als Künstler ausgegeben, Herrgott noch mal! Und Künstler verwenden alle ihre Zeit auf ihre Kunst. Wenn sie nicht arbeiten, denken sie über ihre Arbeit nach. Sie gondeln nicht in London rum und sammeln diese Dinger. Kunst bringt Kunst hervor, also setzt man sich der Kunst aus. Das hier –« Mit einer verächtlichen Geste in Richtung der Karten – »ist nichts als Dreck.«
    Aber Terry hatte sich vermutlich nie wirklich für Kunst interessiert. Er hatte an ganz anderen Dingen Interesse gehabt.
    Der erste Stapel Postkarten umfaßte insgesamt fünfundvierzig Exemplare. Jede war anders. Ganz gleich, wie gründlich Barbara sie inspizierte, wie sie sie sortierte und aufteilte, sie mußte am Ende einsehen, daß nur das Telefon – selbst zu dieser nachtschlafenen Zeit – ihr helfen konnte, ihren nächsten Schritt bei den Ermittlungen zu bestimmen.
    Sie verwarf jeden Gedanken daran, daß zwischen Andy Maidens Vergangenheit bei der SO10 und Terry Cole eine Verbindung bestehen könnte. Sie verwarf jeden Gedanken daran, daß die SO10 überhaupt mit dem Fall zu tun hatte.
    Kurz entschlossen griff sie zum Telefon. Sie wußte, daß am anderen Ende der Leitung – trotz der späten Stunde – fünfundvierzig Verdächtige nur darauf warteten, daß jemand sie anrief und ein paar Fragen stellte.
    Am nächsten Morgen stand Lynley mit den Hühnern auf, fuhr mit dem Wagen zum Flughafen von Manchester und schaffte es, die erste Maschine nach London zu erreichen. Um Viertel vor zehn setzte ein Taxi ihn vor seiner Haustür in Eaton Terrace ab.
    Er ging nicht gleich ins Haus. Trotz des strahlenden Morgens – funkelndes Sonnenlicht in den Fenstern der Häuser, die die stille Straße säumten – hatte er das Gefühl, unter einer dunklen Wolke zu gehen. Er betrachtete die eleganten weißen Häuser, die schmiedeeisernen Zäune davor, deren mitternachtsblauer Anstrich kein Fleckchen Rost zeigte, und mußte plötzlich und unerklärlicherweise an Krieg denken, obwohl er selbst in der längsten Friedensperiode geboren war, die dieses Land je erlebt hatte.
    London war damals verwüstet worden. Nacht für Nacht fielen die Bomben und legten große Gebiete der Metropole in Trümmer. Die City, das Hafenviertel und die Vorstädte – sowohl nördlich als auch südlich der Themse – hatten die schwersten Schäden davongetragen, aber niemand in der Hauptstadt war von Angst verschont geblieben. Sie wurde in der Nacht ausgelöst, wenn die Sirenen heulten und die Bomben explodierten. Sie gewann Gestalt in Explosionen, Bränden, Panik, Verwirrung, Ungewißheit und den Nachwirkungen der Angriffe.
    Und dennoch hatte London standgehalten, hatte sich selbst erneuert, wie es das bereits seit zweitausend Jahren immer wieder getan hatte. Boadiceas Stammeskrieger hatten es nicht bezwungen, weder die Pest noch der große Brand

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