Undank Ist Der Väter Lohn.
hatte. Er hat getobt und hat sich wahrscheinlich eingebildet, er könnte ihr zeigen, wo’s langgeht. Aber statt dessen hat sie ihm gezeigt, wo’s langgeht.«
»Wie denn?« fragte Nkata.
»Sie ist mit einem Fleischermesser auf ihn losgegangen.«
Nkata warf Lynley einen Blick zu. Lynley nickte. Mörder hatten im allgemeinen ihre bevorzugten Waffen. Aber warum hätte Shelly Nicola Maiden töten sollen, wenn sie Vi Nevin hatte erledigen wollen? Und warum hatte sie solange damit gewartet?
Vi schien zu ahnen, was ihm durch den Kopf ging. Sie sagte:
»Sie wußte nicht, wo Nikki war. Aber sie wußte, daß sie und Terry dicke Freunde waren. Sie brauchte ihm nur zu folgen, dann konnte sie sicher sein, daß er sie früher oder später zu Nikki führen würde.« Sie trank wieder und griff nach einer Serviette, um sich die Mundwinkel abzutupfen. »Dieses mörderische kleine Luder«, sagte sie leise. »Hoffentlich verrottet sie!«
»›Das Luder ist erledigt‹«, murmelte Lynley, der jetzt wußte, von wem der Brief kam, den man in Nicola Maidens Tasche gefunden hatte. »Wir brauchen ihre Adresse, wenn Sie sie haben. Und wir brauchen eine Liste von Nicola Maidens Kunden.«
Wütend fuhr sie ihn an: »Das hat mit den Kunden nichts zu tun! Das hab ich Ihnen doch eben gesagt.«
»Richtig. Aber wir wissen aus anderer Quelle, daß es in London einen Mann gab, zu dem Nicola Maiden engere Beziehungen unterhielt, als es zwischen einem Kunden und –« Er brach ab, um nach einem freundlicheren Ausdruck zu suchen.
»– und seiner Begleiterin für den Abend üblich ist«, vollendete Nkata.
»Und es ist durchaus möglich, daß wir diesen Mann unter denjenigen finden, mit denen sie regelmäßig zu tun hatte«, schloß Lynley.
»Also, wenn es da wirklich jemanden gegeben hat, dann weiß ich jedenfalls nichts davon«, erklärte Vi Nevin.
»Es fällt mir schwer, das zu glauben«, versetzte Lynley. »Sie erwarten doch nicht im Ernst, ich nehme Ihnen ab, daß Sie diese Wohnung ausschließlich mit Ihren Einkünften aus der Prostitution finanziert haben.«
»Ach, glauben Sie doch, was Sie wollen«, fauchte Vi Nevin, doch sie griff zu dem Tuch um ihren Hals und lockerte es hastig.
»Miss Nevin, wir suchen einen Mörder. Wenn Sie wissen, wer der Mann ist, der Nicola Maiden diese Luxuswohnung eingerichtet hat, dann müssen Sie uns seinen Namen nennen. Denn wenn er geglaubt hat, das Exklusivrecht auf sie zu besitzen, nur um dann zu erfahren, daß die Sache ganz anders aussah, kann ihn das dazu getrieben haben, sie zu töten. Und wahrscheinlich wird es ihm gar nicht passen, daß Sie jetzt, wo Nicola Maiden tot ist, weiterhin auf seine Kosten hier wohnen.«
»Ich habe Ihnen meine Antwort gegeben.«
»Ist Reeve der Mann?« fragte Nkata sie. »Reeve?« Vi Nevin griff wieder nach ihrem Glas. »Martin Reeve. MKR Financial Management.«
Sie trank nicht. Sie drehte das Glas in ihrer Hand hin und her und beobachtete, wie die Flüssigkeit über die Eiswürfel schwappte, die leise klirrend an die Wand des Glases schlugen. Schließlich sagte sie: »Ich habe Sie belogen. Ich habe nie bei MKR gearbeitet. Ich kenne Martin Reeve überhaupt nicht. Was ich über ihn und Tricia Reeve wußte, habe ich nur von Nikki erfahren. Als sie mich gestern nach ihm fragten, habe ich nur versucht, mich irgendwie durchzulavieren. Tut mir leid. Ich wußte ja nicht, was Sie wissen. Über mich. Und über Nikki. In unserem Geschäft vertraut man der Polizei nicht allzusehr.«
»Wie sind Sie beide dann überhaupt zusammengekommen?« fragte Nkata sie.
»Nikki und ich? Wir haben uns in einem Pub kennengelernt.
Dem Jack Homer in der Tottenham Court Road, nicht weit von ihrem College. Da versuchte so ein glatzköpfiger Typ mit Bierbauch und schlechten Zähnen sie anzumachen, und als er es endlich aufgegeben hatte, rissen wir ein paar Witze über ihn. Wir kamen ins Gespräch und ...« Sie zuckte die Achseln. »Wir haben uns auf Anhieb verstanden. Nikki war sehr offen. Es war leicht, ihr die Wahrheit zu sagen. Sie hat sich gleich für meine Arbeit interessiert, und als sie hörte, wieviel Geld man dabei verdienen kann – mehr als sie bei MKR bekam –, beschloß sie, es auch zu versuchen.«
»Und die Konkurrenz hat Sie nicht gestört?« fragte Lynley. »Es gab keine Konkurrenz.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Konventioneller Sex hat Nikki nicht interessiert«, erklärte Vi Nevin. »Sie hat immer nur Männer bedient, die was Ausgefallenes wollten. Kostümierung, irgendwelche
Weitere Kostenlose Bücher