Undank Ist Der Väter Lohn.
Rennen.
Und ein Anruf von Lynley bestätigte Hanken nur, daß er mit seiner Auffassung recht hatte.
Der Anruf erreichte ihn zu Hause über sein Handy, gerade als er in der Garage auf dem Boden die Einzelteile von Bellas neuer Schaukel ausgelegt hatte und die Schrauben und Muttern zählte, die dem Paket beigelegt waren. Lynley berichtete, seine Leute hätten eine junge Frau ausfindig gemacht, die Nicola Maidens Wohnungsgenossin gewesen war, und er selbst habe sich soeben ausführlich mit ihr unterhalten. Sie hatte behauptet, es gäbe keinen Liebhaber in London – eine Behauptung, die Lynley ihr aber offensichtlich nicht abkaufte –, und hatte vorgeschlagen, er solle sich doch noch einmal mit Upman unterhalten, wenn er unbedingt wissen wollte, warum Nicola Maiden den Sommer in Derbyshire verbracht hatte.
»Bisher hat uns nur Upman erzählt, daß die Maiden in London einen Liebhaber hatte, Thomas«, meinte Hanken darauf.
Und Lynley entgegnete: »Aber es ergibt doch überhaupt keinen Sinn, daß sie im Mai ihr Studium aufgibt und dann trotzdem den Sommer über in Upmans Kanzlei arbeitet ... Es sei denn, die beiden hatten etwas miteinander. Haben Sie Zeit, ihm noch einmal auf den Zahn zu fühlen, Peter?«
Gern – sogar mit dem größten Vergnügen – würde Hanken den aalglatten Burschen noch einmal gründlich in die Mangel nehmen, aber er würde eine solide Grundlage für ein weiteres Gespräch mit dem Anwalt brauchen, der bisher darauf verzichtet hatte, seinen eigenen Anwalt zu den Vernehmungen hinzuzuziehen, dies aber sehr wahrscheinlich tun würde, sollte er den Eindruck haben, daß sich ein Verdacht gegen ihn erhärtete.
»Nicola hatte kurz vor ihrem Umzug von Islington nach Fulham Besuch von einem Mann. Das wäre also am neunten Mai gewesen«, sagte Lynley. »Die beiden hatten Streit. Sie wurden dabei belauscht. Der Mann sagte, eher würde er sie umbringen, als daß er sie das tun ließe.«
»Was denn?« fragte Hanken.
Lynley erklärte ihm den Sachverhalt. Hanken hörte sich die Geschichte mit einiger Ungläubigkeit an. Mittendrin sagte er:
»Großer Gott! Das ist ja nicht zu fassen! Bleiben Sie dran, Thomas. Ich muß mir das alles notieren.« Er lief aus der Garage in die Küche, wo seine beiden Töchter unter der Aufsicht seiner Frau beim Mittagessen saßen, während sein kleiner Sohn in einer Tragetasche auf der Arbeitsplatte schlief. Er räumte eine kleine Fläche neben Sarah frei, die damit beschäftigt war, den Eiersalat von ihrem Brot auf ihrem Gesicht zu verschmieren, sagte: »Okay, wir können weitermachen«, und begann eilig mitzuschreiben. Er pfiff leise, als Lynley ihm von Nicola Maidens geheimem Leben als Londoner Prostituierte berichtete, und starrte erschüttert seine beiden Töchter an, als er hörte, welche Art von Dienstleistungen die junge Frau angeboten hatte. Er fühlte sich hin- und hergerissen zwischen der Notwendigkeit, sich detaillierte Notizen zu machen, und dem heftigen Verlangen, Bella und Sarah trotz ihrer schmierigen Mayonnaisegesichter an sein Herz zu drücken, als könnte er auf diese Weise dafür sorgen, daß ihr zukünftiges Leben im Schutz der Normalität verlaufen würde.
Tatsächlich war es die Sorge um seine Töchter, die Hanken zu der Frage veranlaßte: »Thomas, was ist mit Maiden?«, nachdem Lynley abschließend erklärt hatte, er werde als nächstes versuchen, Vi Nevins ehemalige Wohnungsgenossin Shelly Platt ausfindig zu machen, die Absenderin der anonymen Briefe. »Wenn er irgendwie dahintergekommen ist, daß seine Tochter in London anschaffen gegangen ist ... können Sie sich vorstellen, wie er darauf reagiert hätte?«
»Ich finde, es ist lohnender, darüber nachzudenken, wie ein Mann darauf reagiert hätte, der sich für ihren Liebhaber hielt. Upman und Britton – sogar Ferrer – scheinen mir weit geeigneter für die Rolle der Nemesis als Andy.«
»Aber nicht, wenn man sich vor Augen hält, wie ein Vater denkt: ›Ich habe ihr das Leben geschenkt.‹ Was, wenn er glaubte, auch das Recht zu haben, ihr dieses Leben wieder zu nehmen?«
»Wir sprechen von einem Polizeibeamten, Peter, einem grundanständigen Polizeibeamten. Einem vorbildlichen Polizeibeamten; der sich in seiner ganzen beruflichen Laufbahn nie etwas zuschulden kommen ließ.«
»Gut. In Ordnung. Aber diese ganze Geschichte hat doch überhaupt nichts mit Maidens beruflicher Laufbahn zu tun. Könnte es nicht sein, daß er nach London gefahren ist? Daß er dort zufällig auf die Wahrheit
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