Undank Ist Der Väter Lohn.
fertig sind.«
Fertig? überlegte Barbara. Na super. Dann war also tatsächlich mit einem Mittagessen zu rechnen.
Helen bat Barbara ins Haus und rief: »Charlie? Barbara Havers ist hier. – Haben Sie schon zu Mittag gegessen, Barbara?«
»Ah – nein«, antwortete Barbara und fügte hinzu: »Ich meine, nicht direkt«, weil brutale Ehrlichkeit sie zwang zuzugeben, daß ein Toast mit Knoblauchcremesoße, den sie als zweites Frühstück vertilgt hatte, in gewissen Kreisen vielleicht als frühes Mittagessen betrachtet worden wäre.
»Ich muß gleich weg – Pen kommt heute nachmittag ausnahmsweise einmal ohne Kinder aus Cambridge, und wir haben uns zum Essen in Chelsea verabredet –, aber Charlie kann Ihnen ein Sandwich oder einen Salat machen, wenn Ihnen der Magen knurrt.«
»Ich werde schon nicht umkippen«, versicherte Barbara, und hörte selbst, wie halbherzig das klang.
Sie folgte Helen in das elegante Wohnzimmer, wo, wie sie sah, die Türen der antiken Vitrine offenstanden, in der Lynleys Stereoanlage untergebracht war. Die ganze Anlage war beleuchtet, und auf dem Radio lag aufgeklappt eine CD-Hülle. Helen forderte Barbara auf, es sich bequem zu machen, und sie setzte sich an denselben Platz wie am vergangenen Nachmittag, als Lynley sie in Ungnaden entlassen hatte.
Im Plauderton sagte sie: »Ich hoffe doch, der Inspector ist heil und gesund in Derbyshire angekommen?«
»Es tut mir wirklich leid«, erwiderte Helen, »daß es zu diesem Krach zwischen Ihnen beiden gekommen ist. Tommy ist ... na ja, Tommy ist eben Tommy.«
»So kann man es auch formulieren«, stimmte Barbara zu. »Eins steht jedenfalls fest, nachdem er erschaffen war, hat der liebe Gott die Gußform weggeworfen.«
»Wir haben hier etwas, das wir Ihnen gern vorspielen würden«, sagte Helen.
»Sie und der Inspector?«
»Tommy? Nein. Er weiß gar nichts davon.« Helen schien irgend etwas in Barbaras Miene zu sehen, denn sie fügte eilig und einigermaßen rätselhaft hinzu: »Wir wußten nicht so recht, was wir mit dem, was wir hier haben, anfangen sollten. Darum sagte ich: ›Rufen wir doch einfach Barbara an.‹«
»Wir«, warf Barbara ein.
»Charlie und ich. Ah, da ist er ja. Spielen Sie es doch Barbara bitte mal vor, Charlie.« Denton begrüßte Barbara und überreichte ihr, was er mit ins Zimmer gebracht hatte: ein Tablett mit einem Teller köstlich riechender Hühnerbrust, umrahmt von einem Arrangement dreifarbiger Pasta, einem Glas Wein und einem Brötchen und einer Leinenserviette, in die das Besteck eingeschlagen war.
»Ich dachte mir, Sie hätten gegen eine kleine Mahlzeit sicher nichts einzuwenden«, sagte er zu ihr. »Ich hoffe nur, Sie mögen Basilikum.«
»Oh, für Basilikum lasse ich jeden Mann sausen.«
Denton lachte. Barbara machte sich über ihr Essen her, und er ging zur Vitrine. Helen setzte sich zu Barbara aufs Sofa, während Denton sich an der Stereoanlage zu schaffen machte und sagte:
»Gleich geht’s los, hören Sie gut zu.«
Barbara ließ sich Dentons vorzügliches Hühnchen schmecken und dachte, als die Holzbläser eines Orchesters etwas Getragenes zu spielen begannen, daß es sich so aushalten ließe.
Ein Bariton begann zu singen. Barbara verstand einen Teil des Texts, aber nicht alles:
»... leben, leben, weiterleben oder sterben quälende Frage, der Menschheit ewiges Erbe sterben, sterben, das Herzweh enden und das Unheil indem du annimmst, was des Fleisches Erbteil, was Menschsein ist, Angst und flüchtige Gebärde. Warum nicht den Tod umarmen, ewigen Schlaf in kühler Erde, die Schrecken, die dort warten, die Träume, die uns kommen mögen, wenn wir sorglos schlafend glauben, wir entflögen Geißeln und Schmach, die uns die Zeit beschert im Leben, und dieser Schlaf brächt Frieden dem, der nicht fähig zu vergeben ...«
»Hübsch«, sagte Barbara zu Denton und Helen. »Ganz toll, sogar. Ich hab das noch nie gehört.«
»Ich kann Ihnen sagen, warum.« Helen reichte ihr denselben braunen Umschlag, den Barbara selbst am Vortag mitgebracht hatte.
Als Barbara den Stapel Blätter herausgleiten ließ, sah sie, daß es die handgeschriebenen Noten waren, die Mrs. Baden ihr überlassen hatte.
»Ich verstehe nicht«, sagte sie.
»Schauen Sie.« Helen lenkte Barbaras Aufmerksamkeit auf das erste der Notenblätter. Sehr bald las Barbara mit, was der Bariton sang. Sie warf einen Blick auf den Titel des Lieds, der oben auf dem Blatt stand: »Welche Träume auch kommen mögen.« Der Liedtext war genau wie die
Weitere Kostenlose Bücher