Undank Ist Der Väter Lohn.
unbeachtet bleiben würden. Sehr schlau. Und darum wollte Hanken jetzt den SO10-Bericht sehen, um festzustellen, ob vielleicht ein Name darunter war, der auch auf einem Anmeldeformular des Hotels auftauchte.
»Wie es hätte ablaufen können, ist ja wohl klar«, erklärte Hanken Lynley. »Maiden hätte dem Kerl, den er beauftragt hatte, nur zu erklären brauchen, wo seine Tochter campierte. Und er hat gewußt, wo sie campierte, Thomas. Das war von Anfang an offensichtlich.«
Lynley hätte gern widersprochen, aber er tat es nicht. Gerade Andy Maiden würde wissen, wie riskant es war, einen Mord in Auftrag zu geben. Daß er ebendies getan haben sollte, um seine Tochter loszuwerden, deren Lebensstil er nicht dulden konnte, war undenkbar. Wenn der Mann Nicola hätte töten wollen, weil er sie nicht dazu zwingen konnte, ihren Lebenswandel zu ändern, hätte er niemals einen anderen für diese schmutzige Arbeit angeheuert, und schon gar nicht jemanden, von dem er fürchten mußte, daß er unter dem Druck polizeilicher Verhöre zusammenbrechen und ihn verraten würde. Nein. Wenn Andy Maiden seine Tochter wirklich hätte töten wollen, dann hätte er es selbst getan, davon war Lynley überzeugt. Und sie hatten nicht den Schatten eines Beweises dafür, daß er etwas Derartiges getan hatte.
Lynley stocherte lustlos in seinem Essen herum, während Hanken hungrig seine Mahlzeit verschlang und dabei den Bericht las. Er beendete Lektüre und Mittagessen gleichzeitig. »Venables, Thompson und Brick«, sagte er, zu dem gleichen Schluß gekommen wie Lynley. »Aber ich schlage vor, wir vergleichen sämtliche Namen mit den Anmeldebögen.«
Sie nahmen sich also die Unterlagen der vergangenen Woche vor und verglichen die Namen sämtlicher Gäste während dieser Zeitspanne mit denen in Havers’ Bericht. Da der Bericht mehr als zwanzig Jahre polizeilicher Tätigkeit Andy Maidens umfaßte, dauerte das einige Zeit. Und am Ende ihrer Bemühungen waren sie keinen Schritt weitergekommen. Keiner der Namen aus Havers’ Bericht fand sich auf der Gästeliste wieder.
Lynley wies darauf hin, daß jemand, der hierhergefahren war, um Nicola Maiden zu töten, wohl kaum unter seinem eigenen Namen in einem örtlichen Hotel abgestiegen wäre. Das leuchtete Hanken ein. Aber anstatt daraufhin die Idee von einem gedungenen Mörder, der im Hotel gewohnt und die Jacke und das Regencape zurückgelassen hatte, gänzlich aufzugeben, sagte er, ohne sich näher zu erklären: »Natürlich! Auf nach Buxton.«
»Und Broughton Manor?« wollte Lynley wissen. »Wollten Sie das einfach vergessen, um ... was? Einem Phantom nachzujagen?«
»Der Killer ist kein Phantom, Thomas«, entgegnete Hanken und stand auf. »Und ich denke, wir werden ihm über Buxton auf die Spur kommen.«
Barbara sah Helen an und fragte: »Aber warum haben Sie mich angerufen? Warum nicht den Inspector?«
Helen wandte sich an Denton. »Vielen Dank, Charlie. Würden Sie netterweise die Tapetenmuster zu Harrods zurückbringen? Ich habe mich endlich entschieden.«
Denton nickte, sagte: »In Ordnung«, und ging hinaus, nachdem er die Stereoanlage ausgeschaltet und seine CD herausgenommen hatte.
»Ein Glück, daß Charlie so ein Faible für Musicals hat«, bemerkte Helen, als sie und Barbara allein waren. »Je besser ich ihn kennenlerne, desto unentbehrlicher wird er mir. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Als Tommy und ich geheiratet haben, habe ich mich gefragt, wie ich es auf die Dauer ertragen soll, wenn ständig der Diener meines Mannes – oder was Charlie sonst ist – um mich herumschwirrt. Aber er ist wirklich unentbehrlich. Wie Sie eben selbst gesehen haben.«
»Warum, Helen?« fragte Barbara, die sich vom leichten Geplauder Helens nicht ablenken ließ.
Helens Gesicht wurde weich. »Ich liebe ihn«, sagte sie. »Aber er ist nicht unfehlbar. Kein Mensch ist das.«
»Es wird ihm nicht recht sein, daß Sie das mit mir besprochen haben.«
»Ja. Hm. Damit befasse ich mich, wenn es soweit ist.« Helen wies auf die Notenblätter. »Und was halten Sie nun davon?«
»In Anbetracht der Morde?«
Als Helen nickte, überdachte Barbara alle möglichen Antworten. David King-Ryder hatte sich, wie sie erinnerte, am Abend nach der Premiere seiner Inszenierung von Hamlet das Leben genommen. Den Worten seines Sohnes zufolge mußte King-Ryder schon an diesem Abend gewußt haben, daß das Stück ein Riesenerfolg werden würde. Dennoch hatte er seinem Leben ein Ende gesetzt, und als Barbara
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