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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Samantha zum ersten Mal verriet, daß er doch nicht so betrunken war, wie es schien. »Ein Bruder. Ah ja, ich verstehe. Da hast du natürlich kein anderweitiges Interesse an ihm. Wie bin ich bloß auf die Idee gekommen? Aber macht nichts. Vielleicht kannst du deinem Onkel Jeremy trotzdem einen Rat geben.«
    »Was für einen Rat?« Sie holte ein Sieb und gab den Blumenkohl hinein. Dann wandte sie sich den Paprika zu.
    »Wie man ihn kurieren kann.«
    »Wovon?«
    »Von ihr. Dieser rolligen Katze. Dieser läufigen Hündin. Ganz gleich.«
    »Julian braucht von nichts kuriert zu werden«, erklärte Samantha energisch, um ihren Onkel endlich von seinem Kurs abzubringen. »Er ist sein eigener Herr, Onkel Jeremy.«
    »Quatsch mit Soße. Er ist eine Marionette, und wir wissen beide, wer die Fäden in der Hand hält. Die hat ihm so den Kopf verdreht, daß er oben nicht mehr von unten unterscheiden kann.«
    »Julian hat Verstand genug –«
    »Aber bestimmt nicht im Kopf! Dem ist doch der ganze Verstand in den Schwanz gefahren.«
    »Onkel Jeremy –«
    »Der denkt doch an nichts andres mehr, als an ihre hübschen kleinen Titten und wie er ihr seinen Schwanz reinstecken kann – «
    »Das reicht!« Samantha hackte auf die Paprika ein wie mit einer Axt. »Du hast deinen Standpunkt gründlich erklärt, Onkel Jeremy. Jetzt würde ich gern das Abendessen machen.«
    Jeremy lächelte träge. »Du bist für ihn bestimmt, Sammy. Das weißt du genausogut wie ich. Also, was tun wir jetzt, damit die Sache endlich ins Rollen kommt?«
    Er fixierte sie plötzlich mit scharfem Blick, ganz so, als wäre er überhaupt nicht betrunken. Wie hieß noch gleich dieses Fabeltier, das einen mit seinem Blick bannen und töten konnte? Basilisk, dachte sie. Ihr Onkel war ein Basilisk.
    »Ich weiß überhaupt nicht, was du da redest«, sagte sie, aber sie hörte selbst, daß ihre Stimme unsicher und furchtsam klang.
    »Ach nein?« Er lächelte nur, und als er aus der Küche ging, bewegte er sich mit der Sicherheit eines Mannes, der nicht im geringsten angesäuselt, geschweige denn betrunken war.
    Samantha hieb weiter mit dem Messer auf die Paprika ein, bis sie die Küchentür ins Schloß fallen und das Geräusch seiner Schritte auf der Treppe hörte. Dann erst legte sie mit einer Beherrschung, auf die sie unter den gegebenen Umständen stolz war, das Messer weg. Sie stützte ihre Hände auf die Kante des Arbeitstischs. Sie beugte sich über das Gemüse, atmete seinen Duft ein und konzentrierte ihre Gedanken auf ein selbsterfundenes Mantra – Liebe erfüllt mich, Liebe umhüllt mich, Liebe macht mich heil und ganz – und versuchte, Gelassenheit zu finden, eine Gelassenheit, die ihr am vergangenen Abend gänzlich abhanden gekommen war, als sie erkannt hatte, daß Julian nie vorgehabt hatte, sich die Mondfinsternis mit ihr zusammen anzusehen. Eine Gelassenheit, die sie im Grunde bereits verloren hatte, als ihr klargeworden war, was Nicola Maiden ihrem Vetter bedeutete. Aber diese Konzentration auf ihr Mantra war ihr zur Gewohnheit geworden, und sie hielt auch jetzt daran fest, obwohl Liebe so ziemlich das letzte Gefühl war, dessen sie sich im Augenblick für fähig hielt.
    Sie versuchte noch immer zu meditieren, als sie plötzlich das Gebell der Hunde aus den Zwingern in den umgebauten Stallungen gleich westlich des Hauses hörte. Ihr scharfes, erregtes Kläffen verriet ihr, daß Julian bei ihnen war.
    Samantha sah auf ihre Uhr. Es war die Zeit, da die ausgewachsenen Hunde gefüttert, die neugeborenen Welpen beobachtet und die Laufgehege für die älteren Welpen, die langsam in die Schule genommen wurden, umgestellt werden mußten. Julian würde mindestens noch eine Stunde da draußen sein. Samantha hatte also genügend Zeit, sich innerlich vorzubereiten.
    Sie überlegte, was sie ihrem Vetter sagen sollte. Sie überlegte, was er ihr antworten würde. Und sie überlegte, was das alles in Anbetracht von Nicola Maidens Existenz überhaupt für eine Rolle spielte.
    Samantha hatte Nicola vom ersten Moment an nicht gemocht. Ihre Abneigung beruhte jedoch nicht auf dem, was die andere, Jüngere, für sie darstellte – die Rivalin, die ihr Julian streitig machte. Sie beruhte auf dem, was Nicola so offenkundig war. Ihre völlig ungezwungene Art war aufreizend, da sie von einem Selbstbewußtsein zeugte, das bei ihrer erbärmlichen Herkunft weiß Gott nicht angebracht war. Wer war sie denn schon – Tochter eines Gastwirts, die eine Londoner Gesamtschule und eine

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