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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gewesen – die eine bei der Arbeit, die andere in der Schule – und Sie hätten einen ganzen Tag verloren. Machen Sie sich jetzt deswegen nicht verrückt, Winston. Sie haben genau das getan, was Sie tun mußten.«
    »Er ist es«, sagte er. »Der Junge auf dem Foto. Er ist der Tote.«
    »Das hab ich mir schon gedacht.«
    »Aber sie wollen es nicht glauben.«
    »Ist das ein Wunder?« fragte Barbara. »Es ist der endgültige Abschied, und sie haben keine Chance gehabt, Abschied zu nehmen. Etwas Schlimmeres gibt es nicht.«
    Lynley entschied sich für Tideswell. Das Dorf aus Sandsteinhäusern, das sich an zwei gegenüberliegenden Hügelhängen hinaufzog, lag etwa auf halbem Weg zwischen Buxton und der Padleyschlucht. Vom Black-Angel-Hotel mit seinem hübschen Ausblick auf die Kirche und die umliegenden Grünanlagen aus konnte er sowohl die Polizeidienststelle als auch Maiden Hall bequem erreichen. Und auch Calder Moor.
    Inspector Hanken hatte nichts gegen Tideswell einzuwenden. Er würde Lynley, da dessen Mitarbeiter ja noch nicht aus London zurück sei, am Morgen einen Wagen schicken, erklärte er.
    Hanken war in den vergangenen Stunden ihrer Zusammenarbeit merklich aufgetaut. Dazu beigetragen hatte auch ein gemeinsames Abendessen im Black Angel mit zwei Whiskys zum Aperitif, einer guten Flasche Wein zum Fleisch und einem Kognak zur Verdauung.
    Whisky und Wein hatten Hanken die Art von Anekdoten entlockt, die für die Beschreibung des Polizeialltags typisch waren. Sie handelten von Reibereien mit Vorgesetzten, Pannen bei der Ermittlungsarbeit, schwierigen Fällen, an denen er hart zu beißen gehabt hatte. Beim Kognak war er schließlich auf persönlichere Dinge zu sprechen gekommen.
    Er zog das Familienfoto heraus, das er Lynley im Auto gezeigt hatte, und betrachtete es eine Weile schweigend. Mit dem Zeigefinger strich er sachte über das Abbild seines neugeborenen Sohnes, murmelte leise »Kinder«, und erklärte dann, daß der Augenblick, in dem einem Mann sein neugeborenes Kind in den Arm gelegt werde, ihn für immer verändere. Man würde das nicht für möglich halten – man glaube ja immer, diese Persönlichkeitsveränderung betreffe nur Frauen, nicht wahr? –, aber so sei es wirklich. Und dieser V eränderung entspringe ein überwältigender Drang zu beschützen, sämtliche Luken dichtzumachen, sämtliche Gefahren von der Familie abzuwenden. Und dann trotz all dieser Sicherheitsvorkehrungen ein Kind zu verlieren ...? Es sei so schrecklich, daß er es sich gar nicht vorzustellen wage.
    »Andy Maiden muß es jetzt durchmachen«, bemerkte Lynley.
    Hanken warf ihm einen Blick zu, widersprach aber nicht. Seine Frau, sagte er, sei sein ganzes Leben. Er habe schon am Tag ihrer ersten Begegnung gewußt, daß er sie heiraten wollte, aber er habe fünf Jahre gebraucht, um sie dazu zu bringen, genauso zu denken. Wie das denn bei Lynley und seiner jungen Frau gewesen sei?
    Aber Ehe und Familie waren Themen, über die Lynley jetzt am allerwenigsten sprechen wollte. Er wich geschickt aus, indem er sich auf mangelnde Erfahrung berief. »Ich bin als Ehemann noch viel zu grün, um dazu viel zu sagen«, behauptete er.
    Als er später am Abend allein war, ließ sich das Problem jedoch nicht länger verdrängen. Trotzdem versuchte er, sich abzulenken – oder die Auseinandersetzung mit diesem Thema wenigstens noch eine Weile aufzuschieben –, indem er ans Fenster seines Zimmers trat und es einen Spalt öffnete. Er bemühte sich, den Schimmelgeruch der Wände zu ignorieren, war darin aber ebenso erfolglos wie in seinem Bestreben, das Bett mit der durchgelegenen Matratze und der mit irgendeinem schlüpfrigen Pseudosatin bezogenen Decke, die eine Nacht endloser Kämpfe verhieß, zu übersehen. Wenigstens hatte man ihm, wie er mißmutig vermerkte, einen elektrischen Wasserkocher hingestellt und dazu einen Bastkorb mit Teebeuteln, sieben Winzlingsdöschen Milch, einem Päckchen Zucker und zwei Biskuits. Und er hatte sein eigenes Badezimmer, auch wenn es kein Fenster hatte, die Badewanne völlig verkalkt war und die Beleuchtung so trübe wie in einem Luftschutzraum. Es könnte schlimmer sein, sagte er sich, obwohl er nicht wußte, in welcher Beziehung.
    Als es schließlich kein Ausweichen mehr gab, setzte er sich vor das Telefon auf dem schmiedeeisernen Gartentisch, der als Nachttisch diente. Er schuldete Helen einen Anruf, und sei es auch nur, um sie wissen zu lassen, wo er war. Doch er konnte sich nicht entschließen, den Hörer

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