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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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alten Freund sprechen zu können. Er gab einen kurzen Überblick über die Fakten: die zwei Morde, die auf unterschiedliche Art verübt worden waren; das Fehlen einer der Waffen; die Ungewißheit über die Identität des Jungen; die anonymen Briefe, die aus Zeitungsausschnitten zusammengesetzt waren; der handgeschriebene Zettel mit den Worten »Das Luder ist erledigt«.
    »Der Zettel ist wie eine Art Unterschrift unter das Verbrechen«, schloß Lynley. »Hanken ist allerdings der Meinung, daß er Teil eines Täuschungsmanövers sein könnte.«
    »Irreführung von Seiten des Mörders?«
    »Ganz recht.«
    »Und wer sollte das sein?«
    »Andy Maiden, wenn man Hankens Überlegungen folgt.«
    »Der Vater? Das ist aber verdammt stark. Wie kommt Hanken denn auf die Idee?«
    Lynley berichtete von ihrem Gespräch mit den Eltern der toten jungen Frau: Was die beiden ausgesagt hatten und was dabei ans Licht gekommen war. Zum Schluß sagte er: »Andy glaubt, daß es da eine Verbindung zu SO10 gibt.«
    »Und was glaubst du?«
    »Es muß auf jeden Fall überprüft werden, genau wie alles andere. Aber Hanken hat Andy kein Wort mehr geglaubt, nachdem herausgekommen war, daß er seiner Frau nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.«
    »Vielleicht wollte er sie nur schützen«, meinte St. James. »Das wäre doch nichts Ungewöhnliches. Und wenn die beiden euch wirklich irreführen wollten, hätten sie dann nicht versucht, eure Aufmerksamkeit auf den Jungen zu lenken?«
    Lynley stimmte ihm zu. »Zwischen den beiden besteht eine ganz enge Bindung, Simon. Es scheint mir eine außergewöhnlich enge Beziehung zu sein.«
    St. James schwieg einen Moment. Lynley hörte, wie draußen vor seinem Zimmer jemand durch den Flur ging. Eine Tür wurde leise geschlossen.
    »Man kann Andy Maidens Versuch, seine Frau zu schützen, auch noch aus einem anderen Blickwinkel sehen, Tommy.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er tut es vielleicht aus einem ganz anderen Grund. Dem schlimmsten, den man sich vorstellen kann.«
    »Medea in Derbyshire?« fragte Lynley. »Um Gottes willen, das ist ja gräßlich. Und wenn Mütter töten, ist das Kind im allgemeinen noch ziemlich klein. Wo sollte das Motiv sein?«
    »Medea hätte behauptet, daß sie eines hatte.«
    Als Teenager – vor dem Umzug der Familie nach Derbyshire – war Nicola des öfteren einfach verschwunden, und wenn damals jemand zu Nan mitten in ihrer hellen Aufregung gesagt hätte, daß sie eines Tages noch einmal wünschen würde, ihre Tochter wäre »nur« ausgerissen, dann hätte sie es nicht glaubt. Wenn Nicola in der Vergangenheit verschwunden war, hatte Nan stets auf die einzige Art reagiert, auf die sie reagieren konnte: mit einer Mischung aus Angst, Zorn und Verzweiflung. Sie hatte Nicolas Freundinnen angerufen und die Polizei alarmiert und dann selbst die Straßen abgekämmt, um Nicola zu suchen. Sie war nicht fähig gewesen, irgend etwas anderes zu tun, solange sie nicht wußte, daß ihrer Tochter nichts zugestoßen war.
    Immer hatte sie gefürchtet, Nicola könne irgendwo in London auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Denn in einer Großstadt konnte alles mögliche passieren. Ein junges Mädchen konnte vergewaltigt werden; sie konnte in die Drogenabhängigkeit gelockt werden; sie konnte verprügelt oder verstümmelt werden.
    Eine mögliche Folge von Nicolas Neigung, von zu Hause wegzulaufen, hatte Nan jedoch nie in Betracht gezogen: daß ihre Tochter ermordet werden könnte. Das war undenkbar. Nicht, weil so etwas nicht vorkam, sondern weil Nan keine Ahnung hatte, wie sie damit fertigwerden sollte, wenn ihrer Tochter so etwas passierte.
    Und jetzt war es geschehen. Nicht während jener wilden Teenagerjahre, als Nicola ständig auf Unabhängigkeit und Selbständigkeit gepocht und mit den Worten »Wir leben nicht mehr im Mittelalter, Mama« ihr sogenanntes Recht auf Selbstbestimmung eingefordert hatte. Nicht in jener schwierigen Zeit, als jede Forderung an ihre Eltern – ob es nun um etwas so Simples und Greifbares wie eine neue CD ging oder um etwas Komplexes und Nebulöses wie persönliche Freiheit – mit der unausgesprochenen Drohung verbunden war, einen Tag oder eine Woche oder einen ganzen Monat zu verschwinden, wenn diese Forderung nicht erfüllt werden würde. Sondern jetzt, da sie erwachsen geworden war, da Maßnahmen wie das Absperren von Türen und Fenstern nicht nur undenkbar waren, sondern auch unnötig geworden sein sollten.
    Und doch hätte ich genau das tun sollen, dachte Nan jetzt

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