Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
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anderes erwartet.« Dann: »Habt Ihr mich gerade einen zweibeinigen Parasiten genannt?«
»Hallo! Ich kenne deine Stimme! Du bist der Typ, der mich angerufen und in den Buchladen bestellt hat.«
Er verbeugte sich erneut. »Mit Vergnügen zu Euren Diensten.«
»Ja, ja, gute Arbeit, wirklich. Nostro hat mich geschnappt, oder besser gesagt seine Gefolgsleute, die Cockerspaniel-Boys.«
»Bitte?«
»Also vielen Dank für nichts«, beendete ich meine Rede triumphierend.
»Dennis, hilf mir mit den Hunden«, befahl Tina. Sie schaute streng, aber als sie die Hunde in den Nebenraum verfrachtet hatte, hörte ich sie lachen. Ob über mich, Dennis oder die großen, dummen Hunde, konnte ich nicht sagen.
Wahrscheinlich über uns alle.
Ich schaute mich in der Eingangshalle um. Es war ein Raum für sich, mit hohen Decken und einer prächtigen Treppe, die aussah wie aus Vom Winde verweht. Gott, was hatte ich dieses Buch geliebt! Die Heldin war eine trendbe-wusste, habgierige, unnütze Tusse. Wie hätte ich sie nicht lieben können? Als ich den Roman in der Highschool zufällig entdeckt hatte, las ich ihn zehnmal hintereinander und später zweimal jährlich. Sinclairs Treppe sah aus wie die in Twelve Oaks.
Tina eilte herbei. Ohne Hunde. »Wenn Ihr bitte hier warten möchtet, Maj. . . Betsy, dann sage ich Sinclair, dass Ihr angekommen seid. Dennis wird Euch alles bringen, was Ihr wünscht.«
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»Natürlich werde ich das.« Dennis hatte sich doch noch an seine guten Manieren erinnert. »Tee? Kaffee? Wein?«
»Ich hätte gern ein Glas Pflaumenwein«, gestand ich.
Er sah überrascht aus und lächelte dann. »Selbstverständlich. Auch der Boss trinkt Pflaumenwein. Ich dagegen nicht. Es ist, als tränke man Zuckersirup aus einem Weinglas.«
Ich folgte ihm zu einer Bar in der Ecke. »Deshalb mag ich es ja. Die meisten Weine schmecken nach saurem Traubensaft. Pflaumenwein ist das Einzige, was süß genug für mich ist.« Ich schaute die Wand hoch und sah einen Spiegel über dem Tresen. »Himmel, dieser Spiegel ist größer als mein Schlafzimmer.« Dennis folgte meinem Blick und sagte mit leiser Stimme: »Ich sage Euch etwas, Miss Betsy, ich war schockiert, als ich auferstanden war und mich immer noch im Spiegel sehen konnte. Erst nach Tagen kam ich darüber hinweg. Ich fühlte mich von Hollywood betrogen.«
»Warum sollten wir uns auch nicht im Spiegel sehen?« Er öffnete eine brandneue Flasche für mich, goss ein und gab mir das Glas. Ich roch daran. Lecker! Der Duft von Zucker und überreifen dunkellila Pflaumen schlug mir entgegen.
Aber wie bei Kaffee und Benzin galt auch für den Wein, dass er niemals so gut schmeckte, wie er roch.
»Nun ja, weil wir doch keine Seelen haben.«
»Wir haben Seelen. Natürlich haben wir die. Sonst würden wir ja den ganzen Tag über schlimme Dinge tun. Wie Politiker.«
Er vergaß die Attitüde des beflissenen Butlers und sah mich mit einem Blick an, in dem ich so etwas wie Hoffnung 179
erkennen konnte. Jetzt sah er sehr viel jünger aus. »Glaubt Ihr das wirklich?«
»Ich weiß es«, sagte ich im Brustton der Überzeugung und fügte hinzu: »Außerdem hat es mir ein Priester bestä-
tigt.«
»Ein Priester? Wann?«
»Sofort nachdem ich auferstanden war. Ich war in eine Kirche gegangen in der Absicht, mich selbst um die Ecke zu bringen, aber nichts passierte.«
Wenn Dennis’ Augen noch größer hätten werden können, wären sie ihm aus dem Kopf gefallen. »Ihr standet an einem . . . einem heiligen Ort? Ihr konntet über die Schwelle treten?«
»Ja, sicher. Aber das ist nicht der Punkt. Diese Geschichte von Vampiren, die keine Seele und daher auch kein Spiegelbild haben, macht keinen Sinn. Ich meine, schau dich doch um.« Er gehorchte. »Kannst du die Bar sehen? Und die Flaschen? Und den Boden? Und den Stuhl in der Ecke?
Das alles können wir doch auch im Spiegel sehen. Und Hunde und Katzen. Und Babys und Frösche. Sie alle haben ein Spiegelbild.«
»Das ist wahr. Aber das beweist noch lange nicht, dass Vampire ihre Seelen behalten.«
»Du beweist das. Und ich. Du hast doch bestimmt schon Blue Jeans gehasst, bevor du gestorben bist, habe ich recht?«
Er erschauerte tatsächlich.
»Schon gut, du musst dich nicht gleich auf die Bar übergeben. Und heute bist du auch nicht gerade der sportliche Typ, oder? Ich wette, du hast keinen Stapel Levi’s ganz hinten in deinem Schrank versteckt. Das, was dich zu dem 180
gemacht hat, was du bist, ist immer noch da. Außer dass
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