Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
beste Art, den Tag zu beginnen. Was ich auch zum Ausdruck brachte, indem ich wie eine Drittklässlerin kreischte.
»In der Tat, ein wunderschöner Abend«, antwortete er.
Er sah toll aus in seinen schwarzen Hosen, schwarzem Rollkragenpullover und einer schwarzen Jacke. In einer Hand hielt er ein Glas mit Pflaumenwein, die andere Hand steckte in seiner Hosentasche. Er war enorm höflich, und ich dachte kurz, dass er wie die vampirische Version von James Bond aussah.
Nostro und seine Lakaien wirkten in ihren schwarzen Klamotten wie wandelnde Abziehbilder. Sinclair wirkte in seiner komplett schwarzen Kleidung wie ein Trendsetter.
Er sah einfach gut darin aus.
Wie ungerecht die Welt doch war: Da hatte ich so lange darauf gewartet, jemand Großartigen zu treffen, und dann konnte ich ihn nicht ausstehen. Ob ich ihn darum ablehnte, weil ich ihn vom Fleck weg hätte vernaschen wollen oder weil er ein arroganter Schnösel war, wusste ich nicht zu entscheiden. Vielleicht wegen beidem.
»Das muss aufhören«, stöhnte ich. »Du kannst nicht immer über mir stehen, wenn ich aufwache.« Ich warf die Decke zurück und stand auf. Er zog die Augenbrauen 280
hoch, als er meinen Pyjama sah – cremefarben mit einem Muster aus Lachs-Sushi und Tuna-Rolls –, aber er sagte nichts. »Ernsthaft, eines Tages bekomme ich einen Herzanfall.«
»Hast du gut geschlafen?«
»Wie eine Tote«, gluckste ich.
Er kam näher. Das machte mich sehr nervös. Noch nervöser jedoch mein Verlangen, ihn bei den Ohren zu packen und auf diesen Mund der Sünde zu küssen.
»Musst du mir unmittelbar nach dem Aufstehen bereits auf die Pelle rücken?«, sagte ich zickig.
Er beachtete mich nicht. »Mir hat unser kleines . . . Zwi-schenspiel . . . letzte Nacht Spaß gemacht.«
»Darauf wette ich. Kannst du mir einen Gefallen tun und das nächste Mal fragen, bevor du mich knutschst?«
»Nein«, sagte er zärtlich.
Ich knirschte mit den Zähnen und schubste ihn zur Seite.
Er folgte mir wie ein riesiger Welpe. »Warum gehst du auf die Toilette?«
»Gewohnheit«, sagte ich und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Und schloss obendrein noch ab.
Nachdem ich meine morgendlichen Waschungen erledigt hatte, zumindest die allernötigsten, ging ich in die Küche und fand Sinclair dort höflich Marc zuhö-
ren. Der erklärte ihm, wie er während seiner Nachtschicht in der Notaufnahme Dutzende von Leben gerettet hatte.
». . . die anderen Ärzte alle: ›Keine Chance, Mann, das klappt nie.‹ Ich dann: ›Leute, tretet zurück, ich mache 281
es, egal was passiert.‹ Sie dann wieder: ›Wir benachrichti-gen die Krankenhausverwaltung, Mann‹, darauf ich: ›Verdammt, Leute, ohne unsere Hilfe wird dieser Junge sterben, und dann sind alle . . . ‹«
»Ich dachte, du hättest letzte Nacht Papierkram zu erledigen gehabt«, sagte ich. »Du weißt schon, Tabellen ausfüllen, Ablage und so.«
Marc warf mir einen eisigen Blick zu, weil ich seine Fantastereien unterbrochen hatte. »Das war, nachdem ich mit dem Papierkram durch war«, sagte er steif.
»Aber sicher. Warum bist du hier?«, fragte ich Sinclair.
»Tina, Dennis und ich benötigen deine Hilfe. Die Dinge eskalieren mit . . . einer gewissen anderen Partei.«
»Willst du sagen, dass der alte Nosehair endlich reagiert?«
Sinclair starrte mich an. Offensichtlich gefiel ihm überhaupt nicht, dass ich Vampirangelegenheiten normalen Sterblichen gegenüber ausplauderte. »Kurz gesagt, ja. Wir besprechen alles Weitere im Auto.«
»Ach, komm schon, Sinclair«, jammerte ich, »warum muss ich denn da mitmachen? Ich bin gerade erst aufgestanden und muss schon ins Haus der Sünde hetzen? Au-
ßerdem habe ich heute einiges zu erledigen. Heute Abend, meine ich.«
»Einiges?«
»Genau. Die ganze Woche über bin ich nicht in einer Buchhandlung gewesen – beim letzten Mal bin ich ge-kidnappt und in ein gruseliges Mausoleum verschleppt 282
worden. Und dann brauche ich dringend eine Pediküre.
Und neue Klamotten brauche ich auch, weil ich nur ganz wenig Abendgarderobe habe und in der letzten Zeit doch vor allem abends unterwegs bin. Außerdem ist schon fast Sommer, und ich habe mich noch nicht ein Mal nach Bade-anzügen umgeschaut. Was ist los?«
Sinclair hatte sich die Stirn gerieben, als hätte ihn eine plötzliche Migräne befallen. »Elizabeth, Elizabeth, deine Jugend ist manchmal sehr ermüdend.«
Marc lachte.
Ȁh . . . danke? Wie dem auch sei, ich habe eine lange Liste abzuarbeiten, und du stehst nicht
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