Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
fast wie ein Liliputaner. Drahtiger Körperbau, schmale Schultern. Im Vergleich zum restlichen Körper wirkte sein Kopf etwas zu groß. Sein Haar war kurz geschnitten und ordentlich gebürstet. Er war braun gebrannt; seine Sonnenbräune stammte von der vielen Bewegung in der frischen Luft und nicht aus dem Sonnenstudio. Er strotzte nur so vor Reichtum, Macht, Energie und Charisma. Womit er schon viele Wahlen gewonnen hatte, war leicht zu erkennen. Ebenso offenkundig war, weshalb die Nachrichtenmagazine ihn liebten. Er schaute mich an, dann seine Frau und fragte: »Wo ist Springfield?«
Elspeth sagte: »Er ist runtergefahren, um die Vorbereitungen zu kontrollieren. Sie müssen im Lift aneinander vorbeigefahren sein.«
Sansoms Nicken war kaum mehr als eine rasche Auf-und-Ab-Bewegung seiner Lider. Ein erfahrener Entscheidungsträger und zugleich ein Pragmatiker, der sich nicht damit aufhielt, über verschüttete Milch zu jammern. Er sah mich an und sagte: »Sie geben nicht auf, was?«
Ich sagte: »Das habe ich noch nie getan.«
»Ist Ihnen klar, was diese Feds in Washington gesagt haben?«
»Wer waren die übrigens?«
»Diese Jungs? Sie wissen, wie das ist. Ich könnte es Ihnen sagen, aber danach müsste ich Sie umbringen. Aber sie hatten den Auftrag, Sie sehr nachdrücklich zu warnen.«
»Hat nicht gewirkt.«
»Sie haben mir Ihre Personalakte gefaxt. Ich habe ihnen gesagt, dass sie nichts ausrichten würden.«
»Sie haben mit mir geredet wie mit einem Schwachsinnigen. Und sie haben mich als zu alt bezeichnet. Dann wären Sie bei Weitem zu alt.«
»Ich bin bei Weitem zu alt. Jedenfalls für viel von diesem Scheiß.«
»Haben Sie zehn Minuten Zeit?«
»Ich kann Ihnen fünf geben.«
»Haben Sie Kaffee?«
»Sie vergeuden Ihre Zeit.«
»Wir haben jede Menge Zeit. Bestimmt mehr als fünf Minuten. Sogar mehr als zehn. Sie müssen bloß noch Schuhe anziehen und ins Jackett schlüpfen. Wie lange kann das dauern?«
Sansom zuckte mit den Schultern, trat an die Frühstücksbar und goss mir eine Tasse Kaffee ein. Er gab sie mir und sagte: »Machen wir’s kurz. Ich weiß, wer Sie sind und warum Sie hier sind.«
»Haben Sie Susan Mark gekannt?«, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf. »Bin ihr nie begegnet, habe ihren Namen gestern zum ersten Mal gehört.«
Ich beobachtete seine Augen, während er das sagte, und glaubte ihm. Ich fragte: »Wieso sollte eine HRC -Angestellte dazu angestiftet werden, Sie auszuspionieren?«
»Ist das denn passiert?«
»Ich denke schon.«
»Dann habe ich keine Ahnung. HRC ist das neue PERSCOM , richtig? Was haben Sie jemals von PERSCOM bekommen? Was hat jeder bekommen? Was haben sie dort? Berge von Daten, sonst nichts. Und mein Leben ist ohnehin öffentlich bekannt. Ich war schon hundertmal bei CNN . Ich bin in die Army eingetreten, ich war auf der Offiziersschule, ich bin Offizier geworden, ich bin dreimal befördert worden und als Major ausgeschieden. Da gibt’s keine Geheimnisse.«
»Ihre Delta-Einsätze waren geheim.«
In der Suite schien es etwas stiller zu werden. Sansom fragte: »Woher wissen Sie das?«
»Sie haben vier hohe Auszeichnungen. Aber Sie erzählen nicht, wofür.«
Sansom nickte.
»Dieses verdammte Buch«, sagte er. »Auch meine Auszeichnungen sind öffentlich bekannt. Ich konnte sie nicht verschweigen. Das wäre nicht respektvoll gewesen. Politik ist ein Minenfeld. Tut man’s, wird man verdammt, lässt man’s, wird man auch verdammt. So erwischen sie einen immer.«
Ich sagte nichts. Er sah mich an und fragte: »Wie viele Leute werden diese Verbindung herstellen? Außer Ihnen, meine ich.«
»Ungefähr drei Millionen«, antwortete ich. »Vielleicht mehr. Jeder in der Army und alle Veteranen, die noch gut genug sehen, um lesen zu können. Sie wissen, wie solche Dinge ablaufen.«
Er schüttelte den Kopf. »Längst nicht so viele. Nur wenige Leute sind intellektuell wissbegierig. Und selbst wenn sie’s sind, respektieren die meisten Leute, dass solche Dinge geheim bleiben müssen. Ich glaube nicht, dass es ein Problem gibt.«
»Irgendwo muss es eines geben. Wieso wäre sonst versucht worden, Susan Mark auszuhorchen?«
»Hat sie tatsächlich meinen Namen erwähnt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das sollte nur Ihre Aufmerksamkeit erregen. Ihren Namen habe ich von drei Typen, deren Auftraggeber meiner Ansicht nach die Fragen stellt.«
»Und was haben Sie selbst davon?«
»Nichts. Aber sie hat wie ein netter Mensch ausgesehen, der in einer Zwickmühle
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