Underground
in mir aufsteigen. Die beiden Männer schienen nicht so recht zu ihr zu passen. Sie waren ausgesprochen fit und vermutlich erst Mitte dreißig. Eine regengraue Energiekrone schwebte über ihren Köpfen. Einer der beiden trug eine weite Hose und einen Anorak, während der andere Jeans und eine wattierte Sportjacke anhatte. Sie verbreiteten im Grau eine kühle Atmosphäre, die klar signalisierte, dass sie nicht persönlich in das involviert waren, was die Frau von mir wollte. Sie waren nur gekommen, weil es ihnen befohlen worden war.
Alle drei öffneten ihre Mäntel beziehungsweise Jacken. Darunter waren deutlich die Beulen versteckter Revolver zu erkennen. Ich hatte bisher angenommen, dass ich bereits jede nur erdenkliche Variation einer solchen Gruppe gesehen hatte. Doch noch nie zuvor war mir eine begegnet, die von einer Dame mittleren Alters angeführt wurde. Der seltsame Widerspruch zwischen der äußeren Erscheinung der Frau und ihrer Energie hatte etwas Beunruhigendes – von der Pistole an ihrer Hüfte mal ganz abgesehen.
Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, zu fragen, ob ich ihnen helfen könne, sondern blieb einfach ruhig hinter meinem Schreibtisch sitzen. Hier waren sowohl meine eigene Waffe als auch der Alarmknopf nur eine Handbreit von mir entfernt.
»Sind Sie Harper Blaine?«, fragte die Frau. Sie klang gelangweilt, als ob sie meine Antwort eigentlich gar nicht bräuchte, sich aber vorsichtshalber doch fürs Erste an die Regeln hielt.
Es wäre sinnlos gewesen, mich bereits bei dieser Frage unkooperativ zu zeigen. Also starrte ich meine Besucher ausdruckslos an und sah zu, wie sich die Wachhunde der
Dame neben meiner Tür aufbauten. »Ja, die bin ich. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
Sie hatte keine Tasche bei sich, sondern zog ihre ID-Karte aus dem Mantel. Kühl streckte sie sie mir entgegen und erklärte: »Ich bin Fern Laguire. Von der National Security Agency.« Mit diesen Worten trat sie an den Tisch und beugte sich bedrohlich nahe zu mir herab. Ehe ich die Karte richtig lesen konnte, steckte sie diese wieder ein. Ich hatte etwas Ähnliches selbst auch schon oft gemacht, weshalb ich sofort misstrauisch wurde. Auffordernd streckte ich ihr die Hand entgegen.
»Darf ich das bitte noch einmal sehen? So schnell kann ich nicht lesen.«
Laguire schnalzte ungeduldig mit der Zunge und zeigte mir erneut ihren Ausweis, wobei sie ihn allerdings noch immer nicht losließ. Sie kam mir ein wenig oberlehrerhaft vor, wie sie so vor mir stand und fast zu erwarten schien, dass ich ihren Namen laut vorlas. Trotzdem fiel mir auf, dass sie ihre Augen zu schmalen Schlitzen verzog, während sie mich scharf beobachtete. Die verwaschene blaue Iris ihrer Augen glänzte wie kaltes Eis.
Leider brachte mich der Ausweis nicht viel weiter. Darauf standen nur ihr Name und der ihres Nachrichtendienstes sowie dessen Symbol – ein Adler auf einem Schlüssel. Außerdem war da noch eine Adresse in Maryland zu lesen. Einen Hinweis auf den Rang oder die Berufsbezeichnung meines Gegenübers gab es nicht. Unter ihrem Namen stand nur das Wort »Außendienst«. Sie konnte also sowohl Sekretärin als auch Leiterin einer Abteilung sein, obwohl ich mir sicher war, dass sie eine jener Agentinnen sein musste, die es offiziell bei den Nachrichtendiensten nicht gab. Das große Mysterium dieser Institutionen bestand
nämlich darin, dass sie wesentlich mehr Tentakel hatten als ein ganzer Schwarm Tintenfische, das aber nie offiziell zugeben wollten. Ich hätte sogar darauf gewettet, dass die zwei Kettenhunde hinter ihr entweder von der CIA oder dem FBI kamen, denn sie sahen wahrlich nicht aus wie Mathematiker oder Computergenies.
Ich ließ den Ausweis los, und Laguire steckte ihn in die Tasche. Ihr matronenhafter New-England-Charme schien für einen Außendienstauftrag der NSA wie geschaffen zu sein, passte aber irgendwie nicht zu den eisigen Augen und der unheimlichen Energiewolke, die sie umgab. Sie strahlte etwas Verstörendes aus – fast wie eine Großmutter, die plötzlich ein Klappmesser zückt und die Katze aufspießt, weil diese einen Fellball herausgewürgt hat.
»Zu meinem Job gehören weder Wanzen noch die Weitergabe geheimer Informationen ans Ausland«, erklärte ich. »Ich bezweifle also, dass ich Ihnen weiterhelfen kann.«
»Meine Liebe, wir sind nicht an Ihnen persönlich interessiert. Zumindest nicht in professioneller Hinsicht«, erwiderte Laguire. »Wir suchen James Jason Purlis.«
»Wen?« Ich musste nicht
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