Underground
Monster für die Jagd geborgt hat. So etwas Ähnliches hat ja bereits Grandma Ella erzählt. Aber bisher habe ich noch keinen einzigen unserer Verdächtigen entdecken können.«
»Was ziemlich ungewöhnlich ist«, warf Quinton ein. »Die meisten Obdachlosen hängen um diese Zeit entweder hier oder drüben im Occidental Park rum.«
Wir machten uns also auf den Weg zum Occidental Park. Unter der gläsernen Gartenlaube fanden wir Zip, Sandy und Tall Grass, die offenbar die Sonnenstrahlen genossen, die durch die Scheiben fielen. Es war der wärmste Tag seit langem. Tall Grass murmelte ununterbrochen vor sich hin und sah ziemlich mitgenommen aus.
»Hallo«, grüßte Quinton die drei. »Seid ihr die ganze Nacht hier gewesen?«
»Natürlich nicht«, antwortete Sandy. »Grass wollte in
keinem Heim schlafen, weshalb wir ihn abwechselnd bewacht haben.«
Fish murmelte etwas auf Lushootseed, woraufhin Grass den Kopf herumriss und ihn anstarrte. Es folgte ein Redeschwall, den ich nicht verstand und der in meinen Ohren wie eine Ansammlung von Sch-Lauten und Trillern klang. Fish wirkte ziemlich verblüfft und starrte nun seinerseits den älteren Mann an. Dann hockte er sich neben ihn, um mit ihm zu sprechen.
Wir sahen eine Weile zu, während die zwei Indianer miteinander redeten.
»Ich frage mich, ob er weiß, wohin er verschwunden ist«, meinte Ben. »Das klingt nach einer ziemlich angeregten Unterhaltung.«
»Wohin wer verschwunden ist?«, erkundigte sich Sandy neugierig.
»Äh … Tanker. Oder auch Lass«, antwortete ich, wobei ich die ersten Namen nannte, die mir einfielen. Irgendwie hatte ich keine Lust, Sandy zu fragen, ob sie in letzter Zeit ein Schlangenmonster gesehen hatte.
»Lass hat sich verdünnisiert«, meinte Zip. »Und Tanker auch.«
»Wohin verdünnisiert?«, wollte Quinton wissen.
»Weiß nicht. Ich bin doch nicht das Kindermädchen von dem Typen. Mit dem trinke ich nicht mal gern. Im Gegensatz zu Tandy.«
»Verstehe … Weißt du eigentlich, ob Lass in jener Nacht mit Tandy getrunken hat, als der verschwunden ist? Ich glaube, es war an Thanksgiving«, meinte Quinton, wobei er sich darum bemühte, cool zu wirken. Im Grau jedoch erschienen rund um seinen Kopf orangefarbene Blitze.
»Klar hat er das. Sie haben mich noch um Zigaretten angehauen
und mir dafür einen Schluck Whisky angeboten. Keine Ahnung, woher die den hatten …«
Ben und ich wussten kaum, welcher Unterhaltung wir folgen sollten.
»Hast du sie später dann noch einmal gesehen?«, bohrte Quinton nach.
»Nein. Die beiden sind mir dann nicht mehr begegnet. Ich war in der Union, um etwas Truthahn zu essen. Und wahrscheinlich war ich schon lange im Bett, bevor die ihre Flasche geleert hatten.«
Quinton warf mir einen raschen Blick zu, ehe er sich wieder an Zip wandte: »Hast du keine Ahnung, wo Lass jetzt stecken könnte?«
»Nein, ich habe keine Ahnung. Habe ich dir doch schon gesagt.«
»Lass hat gemeint, dass er zum Showboat will«, mischte sich nun Sandy ein. »Keine Ahnung, warum er das behauptet hat. Das wurde doch schon 1994 abgerissen. Aber Tanker wollte mit Bella zum Universitätscampus. Vielleicht ist Lass den beiden ja gefolgt. Ehrlich – ich finde Lass in letzter Zeit unmöglich. Er ist von diesem Hund total besessen.«
»Zum Showboat?« Ich kannte mich auf dem Campus nicht so gut aus wie am Pioneer Square und in einigen angrenzenden Vierteln.
»Das Showboat Theater. Das liegt am Showboat Beach südlich des Campus«, erklärte Sandy. »Es ist in den achtziger Jahren niedergebrannt, aber sie haben das Gerippe noch eine Weile stehen gelassen. Wegen Asbest. 1994 wurde es dann abgerissen.«
»Und was will Tanker in einem abgerissenen Theater?«, fragte ich.
»Er ist nicht dorthin«, mischte sich nun auch Fish ein, der noch immer mit Tall Grass ins Gespräch vertieft war. »Er ist zum University Dock unterwegs. Grass meint, dass Tanker versuchen will, Arbeit auf dem Forschungsschiff zu finden. Lass und … und auch Sistu sollen ihm nach sein. Grass hat ziemliche Angst. Er meint, er hat gesehen, dass Sistu Lass wie ein Hund gefolgt sei …«
»Wie der Schatten eines Hundes«, korrigierte ihn Tall Grass. Dann verbarg er sein Gesicht in den Händen und begann zu zittern.
»Verdammt«, murmelte Quinton entsetzt. »Es ist Lass.«
SIEBZEHN
W ir rannten zu meinem Wagen und fuhren zum University Dock. Keiner von uns dreien, die bereits die Leichen der Ermordeten gesehen hatten, wollte ein weiteres Opfer. Ben wurde von unserer
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