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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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zu essen mit. Unser Kühlschrank beherbergt nun Folgendes: eine Riesenlasagne, drei einzelne und gleich scheußliche Makkaronisalate, zwei Obstsalate, einen Kirschkuchen, zwei Apfelkuchen und einen Apfelstreusel, eine große Schüssel mit kaltem Backhühnchen, ein mysteriöses Schmorgericht, einen Spinat-Cranberry-Walnuss-Salat in Begleitung einer ungeöffneten Flasche mit Dressing aus Blauschimmelkäse sowie einen Hackbraten. Die Regale in unserem armen Kühlschrank biegen sich unter der Last all der mitgebrachten Gaben.
    Und noch etwas erzählt einem niemand: Die Leute bringen genug Essen, dass ein Waisenhaus in China satt werden könnte, aber man hat keinen Hunger.
    Allmählich fühlt es sich so an, als ob jeder der Gäste ein Stückchen von mir wegnimmt, wenn er sagt: «Es tut mir ja so leid, Clara. Wenn du irgendetwas brauchst, musst du dich unbedingt melden.»
    «Schau mal, sie kann auch anders», flüstert Billy, als Julia – ja, genau, das Engelblut mit den bissigen Fragen beim letzten Treffen der Kongregation – einen der Makkaronisalate und ihr tief empfundenes Beileid abliefert.
    «Allerdings. Meinst du, ich soll ihr sagen, dass sich Samjeeza da draußen im Wald versteckt.»
    Billy reißt die dunklen Augen auf. «Stimmt das?»
    Ich schüttele den Kopf. «Nein. Wenn Papa einen Bann über jemandem ausspricht, bleibt dieser Bann bestehen. Ich würde ihr nur gern ein bisschen Angst einjagen.»
    «Aha. Nur zu, dann sehen wir, wie schnell sie fliegen kann.»
    Wir lächeln uns an. Mein derzeitiges Reservoir an Humor ist damit erschöpft. Der Schmerz sitzt immer noch tief, wie ein weit aufklaffendes Loch mitten in meiner Brust. Ich ertappe mich dabei, wie ich die Stelle auf dem Brustbein berühre, als ob ich bald tatsächlich in der Lage sein würde, meine Faust hineinzustecken.
    Billy sieht mich an. «Wieso gehst du nicht rauf? Wegen der Leute musst du nicht hier sein. Ich kümmere mich schon um alles.»
    «Na gut.» Nur kann ich mir nicht vorstellen, was ich oben allein mit mir anfangen soll.
    Als ich in mein Zimmer komme, sehe ich Christian auf dem Fensterbrett sitzen. Das mag unseren Besuchern vielleicht merkwürdig vorkommen, aber ich beschließe, dass mir das egal ist. Der Schmerz wird zu einem hässlichen Gefühl des Hohlseins, das in mancherlei Hinsicht schlimmer ist als der ursprüngliche Schmerz. Aber wenigstens spüre ich so Christians Gefühle auf der anderen Seite des Fensters nicht. Auch nicht die Erinnerung an unseren Kuss.
    Wann bist du gekommen?, frage ich ihn in Gedanken.
    Vor einer Weile. Gegen neun.
    Wenn ich verblüfft bin, spüre ich es nicht. Meine Mutter ist ein paar Minuten vor zehn gestorben.
    Ich sagte doch, ich würde hier sein, meint er. Du musst mich nicht beachten, wenn du nicht willst.
    Ich will ein bisschen schlafen.
    Ist gut. Ich bin hier.
    Ich lege mich aufs Bett, mache mir nicht die Mühe, unter die Decke zu schlüpfen. Ich drehe mich mit dem Gesicht zur Wand. Christian sieht im Moment nicht zu mir her, aber trotzdem.
    Ich sollte weinen, denke ich. Ich habe noch gar nicht geweint. Wieso habe ich denn noch gar nicht geweint? Seit Monaten weine ich bei jeder Kleinigkeit, aber heute, an dem Tag, an dem meine Mutter tatsächlich stirbt, nichts. Nicht eine einzige Träne.
    Jeffrey hat geweint. Billy hat unter Zuhilfenahme des gesamten Himmels geweint. Aber ich nicht. In mir ist nur dieser unglaubliche Schmerz.
    Ich mache die Augen zu. Als ich sie wieder öffne, sehe ich, dass zwei Stunden vergangen sind, obwohl es mir gar nicht so vorkommt, als hätte ich geschlafen. Die Sonne steht niedriger am Himmel.
    Christian ist immer noch auf dem Dachvorsprung.
    Auf einmal verspüre ich den Drang, ihn zu rufen, ihn zu bitten, hereinzukommen und sich zu mir zu legen. Wie schon einmal, in der Nacht, als ich das mit der Hundertzwanzig-Jahr-Regel herausfand. Nur dass ich diesmal nicht will, dass er mich berührt oder so was. Oder dass er spricht. Aber vielleicht, wenn er ganz nah bei mir wäre, könnte ich etwas fühlen. Vielleicht könnte ich weinen, und der Schmerz ginge weg.
    Er dreht den Kopf, unsere Blicke begegnen sich. Er hört mich.
    Aber ich bitte ihn nicht herein.

    Es ist spät am Nachmittag, als Christian plötzlich aufsteht, ohne ein Wort zu sagen, und wegfliegt.
    Dann klopft es leise an meiner Tür, und Tucker steckt den Kopf herein.
    «He.»
    Ich springe aus dem Bett und werfe mich in seine Arme. Er hält mich ganz fest, presst meinen Kopf an seine Brust, sagt etwas, das ich durch

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