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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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ich seinen Namen sage, wird meine Stimme brüchig. «Also, eigentlich hat er mich geküsst. Aber ich habe es zugelassen. Er sagte, es sei Teil seiner Aufgabe, und ich habe es zugelassen. Weil wir miteinander verbunden sind. Weil er es ist, der in meinem Traum, wenn meine Mutter gestorben ist und wir auf dem Friedhof sind, meine Hand hält und mich tröstet und mich stützt. Denn du bist nicht da.»
    Tuckers Miene ist unbewegt. Seine Rückenmuskeln sind angespannt. Er bewegt seinen Kiefer.
    «Wann?», fragt er heiser. «Wann hat er …»
    «Zwei Tage, bevor meine Mutter gestorben ist.»
    Er steht auf. «Ich muss los.»
    «Tuck.»
    Er schließt die Augen. Er ballt die Fäuste, dann öffnet er die Hände wieder. Als er die Augen öffnet, sehe ich eine Andeutung von Tränen. Rasselnd atmet er aus. «Ich muss los.»
    Was habe ich nur getan?, denke ich benommen. Ich folge ihm aus meinem Zimmer und die Treppe hinunter. «Es tut mir leid, Tuck», sage ich. Als ob das jetzt noch helfen könnte.
    Meine Worte rühren ihn nicht. Er stürmt vorbei an den Leuten im Wohnzimmer, die kondolieren wollen, vorbei an Wendy und Angela, die nebeneinander auf dem Sofa sitzen.
    «Los, Wendy, wir gehen.»
    Sie springt auf.
    «Tuck», rufe ich noch einmal. Aber dann halte ich inne. Ich beschließe, ihn gehen zu lassen, auch wenn er nie wieder ein Wort mit mir reden sollte. Der Schmerz in meiner Brust wird stärker, führt dazu, dass ich nach Atem ringe. Ich lehne mich gegen die Wohnzimmerwand und sehe Tucker hilflos zu, wie er beinah rennend unser Haus verlässt.
    Er bleibt bei seinem Auto stehen, fischt in der Hosentasche nach dem Schlüssel. Wendy holt ihn ein, packt ihn am Arm, sagt etwas und deutet mit dem Kopf zurück zum Haus. Er nickt. Dann schaut er sich um und sieht Christian auf der Veranda vor dem Haus stehen, und auf einmal scheint alles in Zeitlupe abzulaufen.
    «Du.» Er reißt sich von Wendy los und macht ein paar langsame Schritte aufs Haus zu.
    «Tucker», sagt Christian ruhig.
    «Was für ein Mensch bist du bloß?» Tucker grölt es regelrecht, als er auf Christian zugeht. Er beachtet Wendy nicht, die ihn bittet, mit ihr nach Hause zu fahren. «Du wartest, bis sie so verletzlich ist wie nur möglich, und dann versuchst du es bei ihr?»
    «Hat sie dir das so erzählt?», fragt Christian, nicht irgendwie drohend, aber auch nicht so, dass er Rückzug signalisiert.
    Ich will hinaus zu ihnen, dem ein Ende machen, ehe noch einer zu Schaden kommt. Ich habe so eine Ahnung, dass in diesem Moment wirklich jemand zu Schaden kommen könnte. Aber als ich einen Schritt auf die Tür zu mache, packt mich Angela am Arm.
    «Nicht», sagt sie. «Du machst es nur schlimmer.»
    «Sie hat mir erzählt, du hast sie geküsst», sagt Tucker.
    «Das stimmt.»
    «Und es ist dir egal, dass sie einen Freund hat? Dass sie mich liebt?» Tucker ist gleich bei Christian, muss nur noch die Stufen zur Veranda hinaufsteigen. Ein paar Meter vor Christian bleibt er stehen, die Hände hat er zu Fäusten geballt, und er wartet auf die Ausrede, die Christian ihm auftischen wird, um ihn zu schlagen.
    Von da, wo ich stehe, sehe ich Christians Gesicht nicht. Er steht mit dem Rücken zu mir. Aber irgendwie weiß ich, dass sein Gesichtsausdruck reglos ist, seine Augen kühle grüne Smaragde, die in diesem Licht unnatürlich glitzern. Es ist keinerlei Wärme in ihm, als er sagt: «Ich habe dich immer gut leiden können, Tucker. Ich halte dich für einen anständigen Kerl.»
    Tucker lacht. «Aber …? Bin ich etwa nicht gut genug für sie? Sie spielt in einer anderen Liga, bloß weil sie …»
    «Sie und ich, wir gehören zusammen», unterbricht ihn Christian.
    «Genau. Wegen eurer Aufgabe», sagt Tucker leise.
    Christian sieht sich um, es verwirrt ihn, dass Tucker dieses Wort kennt, dass er es wagt, es hier vor all diesen Leuten auszusprechen. «Deswegen, und aus hundert anderen Gründen, die du alle nicht begreifen kannst», sagt er.
    «Du selbstgefälliger Mistkerl.» Und in dem Moment schlägt Tucker zu. Christian mitten ins Gesicht. Christians Kopf wird zurückgeschleudert, und sofort schießt ein Blutstrom aus seiner Nase. Er tastet danach, betrachtet seine blutverschmierten Finger. Gut möglich, dass er noch nie sein eigenes Blut gesehen hat. Seine Augen verengen sich. Er wischt sich die Hand an seinen Jeans ab. Dann explodiert die Veranda förmlich vor Betriebsamkeit, Leute schwärmen durcheinander, um aus dem Weg zu kommen, Frauen kreischen, Fäuste fliegen.

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