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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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Holzweg. So eine Nachricht überbringt man wohl keinem freiwillig, es sei denn, man ist sich verdammt sicher.
    Aber was, wenn ich richtigliege? Würde ich in dieser Situation gern wissen wollen, dass ich bald sterben werde?
    Mein Blick wandert an Tucker vorbei, zwei Reihen weiter nach hinten, zu Christian. Auch er ist mit dem Test fertig. Er schaut auf, so als spüre er meinen Blick. Die Andeutung eines Lächelns auf seinen Lippen dauert nur wenige Sekunden. Dann sieht er rüber zu Tucker, der alles um sich herum vergessen hat und immer noch über seinem Test brütet.
    Toll, wie du dich heute Vormittag in der Cafeteria bewegt hast , sagt Christian in meiner Vorstellung.
    Er spricht in meinem Kopf! Im ersten Moment bin ich zu geschockt, um antworten zu können. Weiß er, was ich gerade denke? Hat er die ganze Zeit schon meine Gedanken gelesen? Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihm zu antworten, und dem Versuch, ihn aus meinem Kopf auszusperren.
    Ach, das hast du gesehen? , antworte ich schließlich und versuche, meine Worte zu ihm zu schicken, wie an dem Tag neulich im Wald mit Mama, als wir nur im Kopf eine ganze Unterhaltung geführt haben.
    Ich kann nicht sagen, ob er mich hört. Seinen Blick hat er fest auf mich geheftet.
    Geht es dir gut?
    Ich gucke weg. Alles in Ordnung.
    «Na schön, legt die Stifte weg», sagt Mr Anderson. «Bringt eure Tests nach vorn. Dann könnt ihr gehen.»
    Tucker macht ein finsteres Gesicht, seufzt, dann geht er mit seinem Test nach vorn zu Mr Andersons Pult. Als er sich umdreht, schenke ich ihm mein mitfühlendstes Lächeln.
    «Nicht so gut gelaufen, was?»
    «Ich hab nicht gelernt dafür», sagt er, als wir unsere Sachen nehmen und auf den Flur rausgehen, wobei ich ganz bewusst nicht zu Christian schaue. «Hab ich mir selbst eingebrockt. Ich habe die Kerze von beiden Enden gleichzeitig abgebrannt, wie mein Vater sagt. Morgen hab ich eine Spanischklausur, bei der ich mich wahrscheinlich nicht viel besser schlagen werde.»
    «Ich helfe dir», biete ich an. «Yo hablo español muy bien.»
    «Lügnerin», sagt er, lächelt aber.
    «Nach der Schule? Ich üb mit dir, ja?»
    «Heute Nachmittag muss ich arbeiten.»
    «Ich kann ja danach kommen.» Ich weiß, ich bin jetzt ziemlich hartnäckig, aber ich will jede nur denkbare Minute an seiner Seite verbringen. Ich will ihm helfen, wenn es auch nur beim Lernen ist. Das kann ich doch wenigstens machen.
    «Du kannst ja zum Abendessen kommen, und danach machen wir uns über die Bücher her. Aber es könnte sein, dass es sehr spät wird. Ich bin echt schlecht in Spanisch», sagt er.
    «Da hast du aber ein Riesenglück, dass ich ein Nachtmensch bin.»
    Er feixt. «Klar. Also heute Abend dann?»
    «Ich werde da sein.»
    «Hasta la vista, Baby» , sagt er zu mir, und ich schüttele den Kopf und schmunzele darüber, wie herrlich blöd und albern er sein kann. Sein Spanisch hat er tatsächlich nur von Arnold Schwarzenegger.

    Am Abend sitze ich in der warmen, hell erleuchteten Küche auf der Lazy Dog Ranch. Es kommt mir vor wie eine Szene aus Unsere kleine Farm . Wendy deckt den Tisch, und Mrs Avery kümmert sich um das Kartoffelpüree. Tucker und Mr Avery kommen aus der Scheune, und beide geben Mrs Avery einen flüchtigen Kuss auf die Wange, dann rollen sie die Ärmel ihrer Flanellhemden hoch und schrubben sich die Hände am Küchenwaschbecken wie zwei Chirurgen, die sich für eine Operation fertig machen. Tucker lässt sich auf den Stuhl neben mir fallen. Unter dem Tisch drückt er mein Knie.
    Vom Herd her strahlt Mrs Avery mich an.
    «Also, Clara», meint sie. «Ich muss schon sagen. Es ist richtig schön, dich mal wieder hierzuhaben.»
    «Danke, Mrs Avery. Und danke für die Einladung.»
    «Ach, Herzchen, sag doch einfach Rachel zu mir. Die Formalitäten können wir ja wohl endlich hinter uns lassen.» Sie gibt ihrem Mann einen Klaps auf die Hand, als der sich am Korb mit den Brötchen fürs Abendessen bedienen will. «Ich hoffe, du hast Appetit mitgebracht.»
    Zum Abendessen gibt es einen Rostbraten mit Soße, Kartoffeln, Möhren, Staudensellerie und hausgemachten Buttermilchbrötchen, und heruntergespült wird alles mit großen Gläsern Eistee.
    Eine Weile essen wir schweigend. Ich muss die ganze Zeit daran denken, wie völlig verzweifelt diese ganze Familie sein wird, wenn sie Tucker verliert, und immer wieder bin ich in Gedanken bei meinem Traum und sehe ihre Gesichter vor mir. Traurig. Schicksalsergeben. Entschlossen,

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