Unendlichkeit
Sauerstoff und Wasserstoff zerlegten. Der Sauerstoff wurde an die Atmosphäre abgegeben – oder in überkuppelte Wohngebiete gepumpt –, während der Wasserstoff in die Fusoren zurückgeleitet wurde. Volyova identifizierte mehr als fünfzig solcher Wohngebiete, aber die meisten waren unbedeutend und keines war auch nur annähernd so groß wie die Hauptsiedlung. Vermutlich gab es noch weitere, kleinere Außenposten – Stationen und Heimstätten in Familienbesitz –, aber die würden die Kiesel nicht finden.
Was hatte sie also zu berichten? Keine Orbitalen Verteidigungsanlagen, mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Raumfahrt, und ein Großteil der Bewohner nach wie vor in einer Siedlung zusammengepfercht. Zumindest vom Standpunkt des Kräftevergleichs her sollte es ein Leichtes sein, die Resurgamiten zur Auslieferung Sylvestes zu überreden.
Aber da war noch etwas.
Das Resurgam-System war ein weit auseinandergezogenes Doppelsternsystem. Delta Pavonis war die Leben spendende Sonne, aber – und das hatte sie gewusst – sie besaß einen toten Zwilling. Der dunkle Begleiter war ein Neutronenstern, zehn Lichtstunden von Pavonis entfernt, weit genug also, um stabile Planetenbahnen um beide Sterne zu ermöglichen. Tatsächlich hatte sich der Neutronenstern einen eigenen Planeten eingefangen. Dessen Existenz war ihr schon vor der Information durch die Kiesel bekannt gewesen. Der Datenbank des Schiffes war er nicht mehr wert als eine Kommentarzeile und eine dürre Ziffernreihe. Welten wie diese waren aus chemischer Sicht ausnahmslos uninteressant, sie hatten keine Atmosphäre, waren biologisch inaktiv und blank gescheuert von den Winden, die der Neutronenstern noch als Pulsar erzeugt hatte. Nicht viel mehr als ein Klumpen ausgeglühtes Sterneneisen, dachte Volyova, und etwa genauso spannend.
Aber in der Nähe dieser Welt befand sich eine Neutrinoquelle. Sie war nur schwach – fast an der Grenze der Registrierbarkeit –, aber sie verdiente Beachtung. Die Entdeckung war schwer zu verdauen. Erst nach einer Weile würgte Volyova wie ein Wiederkäuer einen kleinen Klumpen Gewissheit herauf: Nur eine Maschine konnte eine solche Signatur erzeugen. Und das machte ihr Sorgen.
»Sie haben wirklich überhaupt nicht geschlafen?«, fragte Khouri. Sie selbst war kurz zuvor aufgewacht und fuhr nun mit Volyova im Fahrstuhl hinunter, um den Captain zu besuchen.
»Das stimmt nicht ganz«, sagte Volyova. »Selbst mein Körper braucht seine Ruhephasen. Ich habe einmal versucht, ohne Schlaf auszukommen. Es gibt dafür bestimmte Drogen, und man kann Implantate in das RAS, das retikuläre Aktivierungssystem einsetzen, die Gehirnregion, die den Schlaf steuert – aber die Ermüdungsgifte müssen dennoch ausgeschieden werden.« Sie krümmte sich wie unter Schmerzen. Khouri sah ganz deutlich, dass Volyova das Thema Implantate etwa so angenehm fand wie Zahnweh.
»Viel passiert?«, fragte sie.
»Nichts, womit Sie sich belasten müssten«, sagte Volyova und zog an ihrer Zigarette. Khouri nahm an, damit sei alles gesagt, doch dann sah ihre Ausbilderin sie verlegen an. »Da fällt mir ein, etwas war doch bemerkenswert. Zwei Dinge sogar, wobei ich nicht weiß, welchem ich mehr Bedeutung beimessen sollte. Das erste betrifft Sie nicht unmittelbar. Aber das zweite…«
Khouri forschte in den Zügen ihrer Vorgesetzten nach konkreten Hinweisen darauf, dass die Frau seit ihrer letzten Begegnung um sieben Jahre gealtert war. Sie fand aber nicht die kleinste Spur, und das bedeutete, dass der Triumvir die sieben Jahre mit Antialterungs-Infusionen ausgeglichen hatte. Verändert wirkte sie zwar schon, aber nur deshalb, weil sie ihr normalerweise kurz geschorenes Haar hatte wachsen lassen. Kurz war es noch immer, aber es hatte jetzt mehr Fülle und ließ die ausgeprägten Kiefer- und Wangenknochen etwas weicher erscheinen. Wenn überhaupt, dachte Khouri, dann sah Volyova eher sieben Jahre jünger aus. Nicht zum ersten Mal versuchte sie, das biologische Alter der Frau zu schätzen, aber es war unmöglich.
»Worum geht es?«
»Als Sie im Kälteschlaf lagen, zeigte sich eine ungewöhnliche Neuralaktivität. Eigentlich durfte sich gar nichts regen. Doch was ich beobachtet habe, wäre nicht einmal bei einem wachen Menschen normal gewesen. Es sah ganz so aus, als tobe in Ihrem Kopf ein kleiner Krieg.«
Der Fahrstuhl hielt am Captainsdeck. »Ein interessanter Vergleich«, sagte Khouri und trat in den eiskalten Korridor hinaus.
»Hoffentlich nicht mehr als
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