Unendlichkeit
viele lebensechte Projektionen von ihm gesehen, aber dieses Bild erschien ihr realer als alle anderen bisher. Vermutlich lag es daran, dass sie ihn im Gespräch mit zwei Personen erlebte, die sie kannte, und nicht mit namenlosen Gestalten aus Yellowstones Geschichte. Das war ein großer Unterschied. Er sah gut aus, unwahrscheinlich gut sogar, trotzdem bezweifelte sie, dass das Bild kosmetisch geschönt worden war. Das lange Haar hing zu beiden Seiten der Denkerstirn in wirren Strähnen herab; die Augen waren leuchtend grün. Selbst wenn sie in diese Augen schauen müsste, bevor sie ihn tötete – was bei den Vorschriften der Mademoiselle nicht auszuschließen war –, sie hätte sie gerne einmal in Wirklichkeit gesehen.
»Das hört sich doch sehr nach Erpressung an«, sagte Sylveste. Er sprach von den dreien am leisesten. »Sie reden, als gäbe es einen festen Beistandspakt zwischen allen Ultras. Mag sein, dass Sie manche Leute damit täuschen können, Sajaki, aber bei mir sind Sie an den Falschen geraten.«
»Dann könnten Sie eine böse Überraschung erleben, wenn Sie wieder einmal versuchen sollten, die Ultras für Ihre Pläne einzuspannen«, antwortete Sajaki und spielte mit einem Holzsplitter. »Damit das ganz klar ist. Wenn Sie unsere Bitte ablehnen, garantiere ich Ihnen, dass Sie – zusätzlich zu allen anderen Nachteilen, die Sie sich damit einhandeln – Ihren Heimatplaneten niemals verlassen werden.«
»Ich glaube nicht, dass mich das allzu sehr stören würde.«
Volyova – die sitzende Ausgabe – schüttelte den Kopf. »Unsere Spitzel sagen etwas anderes. Gerüchten zufolge versuchen Sie zurzeit, eine Expedition zum Delta Pavonis-System zu finanzieren, Dr. Sylveste.«
»Nach Resurgam?«, schnaubte Sylveste. »Wohl kaum. Was gäbe es da schon zu holen?«
Die echte, stehende Volyova sagte: »Er lügt. Jetzt ist das ganz offensichtlich, aber damals dachte ich, das Gerücht sei eben falsch gewesen.«
Sajaki hatte Sylveste geantwortet, nun ergriff Sylveste wieder das Wort und sagte abwehrend: »Was kümmern mich Ihre Gerüchte – hören Sie einfach nicht darauf. Es spricht überhaupt nichts dafür, nach Resurgam zu fliegen. Sehen Sie sich die Berichte an, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Genau das ist sonderbar«, sagte die stehende Volyova. »Ich habe mir die Berichte angesehen, und, verdammt, er hatte Recht. Nach allem, was zu jener Zeit bekannt war, gab es absolut keinen Anlass, an eine Expedition nach Resurgam auch nur zu denken.«
»Aber Sie sagten doch eben, er hätte gelogen…«
»Und das stimmt auch – im Rückblick ist es erwiesen.« Sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, aber im Grunde ist es sehr merkwürdig – geradezu paradox. Dreißig Jahre nach diesem Gespräch brach die Expedition nach Resurgam auf, und das heißt, das Gerücht entsprach doch der Wahrheit.« Sie nickte zu Sylveste hin, der inzwischen eine hitzige Diskussion mit ihrem sitzenden Abbild führte. »Aber damals hatte noch niemand von den Amarantin gehört! Was im Namen der Hölle hat ihn überhaupt auf die Idee gebracht, nach Resurgam fliegen zu wollen?«
»Er muss gewusst haben, dass er dort etwas finden würde.«
»Natürlich, aber woher hatte er die Information? Das System wurde vor der Expedition mehrfach mit automatischen Sonden erkundet, aber nie besonders gründlich. Soviel ich weiß, kam keine Sonde dicht genug an die Planetenoberfläche heran, um feststellen zu können, dass es auf Resurgam einmal intelligentes Leben gegeben hatte. Aber Sylveste wusste es.«
»Das ergibt keinen Sinn.«
»Ich weiß«, sagte Volyova. »Glauben Sie mir, ich weiß es nur zu gut.«
Sie stellte sich neben ihre Zwillingsschwester vor den Baumstumpf und beugte sich so tief über Sylveste, dass sich seine starren grünen Augen in den grauen Facetten ihrer Brille spiegelten. »Was hast du gewusst?«, fragte sie. »Und was noch wichtiger wäre, woher hast du es gewusst?«
»Er wird es Ihnen nicht sagen«, bemerkte Khouri.
»Jetzt vielleicht nicht«, erwiderte Volyova lächelnd. »Aber bald wird der echte Sylveste vor mir sitzen. Und dann könnte es schon sein, dass wir einige Antworten bekommen.«
In diesem Augenblick gab ihr Armband mehrere tiefe Töne von sich. Das Signal war Khouri unbekannt, aber es war eindeutig ein Alarm. Das künstliche Tageslicht färbte sich plötzlich blutrot und begann im Rhythmus der Töne zu pulsieren.
»Was ist das?«, fragte Khouri.
»Ein Notfall«,
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