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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ihm die Simulation hatte verschaffen können, der faden, flackernden Parodie einer Welt vorgezogen, die ihn umgab. Sylveste hatte nicht zum ersten Mal Zweifel, ob das Ergebnis wohl die Qualen rechtfertigen würde, die er bei der Reparatur zu erdulden hatte.
    »Vielleicht sollten Sie aufgeben?«
    »Ich habe Sluka zusammengeflickt.« Falkender tanzte als bläulich fahle, flache, aus vielen Schichten zusammengesetzte Menschenform durch Sylvestes Blickfeld. »Dagegen ist das hier eine Kleinigkeit.«
    »Und selbst wenn Sie mir das Augenlicht zurückgeben, was habe ich davon? Ich kann meine Frau nicht sehen, weil Sluka uns nicht zusammenkommen lässt. Und eine Zellenwand bleibt eine Zellenwand, auch wenn man sie noch so deutlich sieht.« Er hielt inne. Schmerzwellen brandeten gegen seine Schläfen. »Ich bin nicht einmal sicher, ob es nicht besser ist, blind zu sein und nicht jedes Mal die Realität gegen den Sehnerv gerammt zu bekommen, wenn man die Augen aufschlägt.«
    »Sie haben keine Augen, Dr. Sylveste.« Falkender verdrehte etwas und jagte damit rosa Schmerzrosetten durch Sylvestes Blickfeld. »Also hören Sie bitte auf, sich selbst zu bemitleiden; das passt nicht zu Ihnen. Außerdem könnte es sein, das Sie diese Mauern nicht mehr allzu lange anzustarren brauchen.«
    Sylveste horchte auf.
    »Das heißt?«
    »Das heißt, dass bald einiges in Bewegung gerät, wenn das, was ich gehört habe, nur halbwegs der Wahrheit entspricht.«
    »Sehr aufschlussreich.«
    »Ich habe gehört, dass wir bald Besuch bekommen«, sagte Falkender und unterstrich die Bemerkung mit einer neuen Schmerzwelle.
    »Hören Sie auf, in Rätseln zu sprechen. Wenn Sie ›wir‹ sagen welche Partei meinen Sie dann? Und was sind das für Besucher?«
    »Ich kenne nur Gerüchte, Dr. Sylveste. Sluka wird Ihnen sicher bald Näheres erzählen.«
    »Darauf möchte ich mich nicht verlassen«, sagte Sylveste. Er bildete sich nicht ein, für Sluka besonders wichtig zu sein. Seit seiner Ankunft in Mantell war er notgedrungen zu dem Schluss gekommen, dass Sluka ihn nur am Leben ließ, weil er ihr eine gewisse Abwechslung bot; er war eine gefangene Bestie, ein neues Spielzeug, mit dem man allerdings wenig anfangen konnte. Daher war es ganz und gar nicht selbstverständlich, dass sie ihn jemals in einer Angelegenheit ins Vertrauen ziehen würde, die wirklich von Bedeutung war – und selbst wenn, dann nur aus zwei Gründen: entweder, weil sie es leid war, nur mit der Wand zu reden, oder weil ihr das eine neue Handhabe bot, ihn zu quälen. Mehr als einmal hatte sie davon gesprochen, ihn in Kälteschlaf zu versetzen, bis sie Verwendung für ihn fände. »Es war richtig, Sie gefangen zu nehmen«, pflegte sie zu erklären. »Ich behaupte auch nicht, dass Sie zu gar nichts taugen – ich sehe nur im Moment nichts, wozu ich Sie gebrauchen könnte. Aber ich sehe auch nicht ein, warum es jemand anderem gestattet werden sollte, Sie auszubeuten.« Mit dieser Einstellung, das hatte Sylveste bald erkannt, machte es für Sluka keinen großen Unterschied, ob er lebte oder tot war. Als Lebender hatte er einen gewissen Unterhaltungswert – außerdem konnte er ihr in der Zukunft durchaus noch nützlich werden, falls sich die Machtverhältnisse in der Kolonie verschieben sollten. Andererseits konnte sie ihn ohne größere Bedenken auch sofort töten lassen. Auf diese Weise wurde er nie zur Belastung und konnte sich nie gegen sie stellen.
    Endlich hatten die gut gemeinten Bemühungen und die damit verbundenen Qualen ein Ende und ruhigeres Licht und fast überzeugende Farben hielten Einzug. Sylveste hielt sich die Hand vor die Augen, drehte sie langsam hin und her und bestaunte ihre Festigkeit. Seine Haut wies Linien und Furchen auf, die er fast vergessen hatte, dabei konnten nicht mehr als drei, höchstens vier Wochen vergangen sein, seit er im Tunnelsystem der Amarantin-Stadt geblendet worden war.
    »So gut wie neu«, sagte Falkender und legte seine Instrumente in den hölzernen Autoklaven zurück. Der seltsame Handschuh mit den eingebauten Instrumenten verschwand als Letztes. Als Falkender ihn von seinen zarten Frauenfingern schälte, zuckte und zappelte er wie eine gestrandete Qualle.
 
    »Etwas Licht bitte«, sagte Volyova in ihr Armband, als der Fahrstuhl in den Geschützpark einfuhr.
    Die Kabine kam zum Stehen, die Schwerkraft kehrte schlagartig zurück. Gleich darauf ging die Beleuchtung an und erhellte die Gerüste mit den riesigen Weltraumgeschützen. Die beiden Frauen

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