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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Display schaust, es nützt alles nichts«, sagte Khouri, die mit Volyova und Pascale im Spinnenraum geblieben war. Sie hatten die letzten Stunden fast ausschließlich außerhalb des Rumpfs verbracht und waren nur ins Innere zurückgekehrt, um Sylveste zu den anderen Triumvirn zu bringen. Sajaki hatte nicht nach Volyova gefragt: wahrscheinlich glaubte er sie in ihrer Kabine damit beschäftigt, ihrer Angriffsstrategie den letzten Schliff zu geben. In ein bis zwei Stunden kam sie freilich nicht mehr umhin, sich sehen zu lassen, wenn sie keinen Verdacht erregen wollte. Bald danach musste sie beginnen, mit einzelnen Weltraumgeschützen den Punkt auf Cerberus zu beschießen, wo der Brückenkopf aufsetzen sollte. Als sie – diesmal unwillkürlich – wieder auf das Armband schaute, fragte Khouri: »Worauf wartest du eigentlich?«
    »Darauf, dass die Waffe etwas Unerwartetes tut – am besten wäre ein Totalausfall.«
    »Dann willst du in Wirklichkeit gar nicht, dass das Manöver glückt?«, fragte Pascale. »Vor ein paar Tagen hast du dich noch darauf gefreut wie auf die schönste Stunde deines Lebens. Was für eine Wende.«
    »Damals wusste ich noch nicht, wer die Mademoiselle war. Hätte ich das früher geahnt…« Volyova fehlten die Worte. Jetzt war natürlich klar, dass der Einsatz der Waffe ein geradezu selbstmörderischer Akt war – aber was hätte es geändert, wenn sie früher Bescheid gewusst hätte? Hätte sie die Waffe womöglich trotzdem entwickelt, nur weil sie dazu imstande war; nur weil die Lösung so elegant war und sie ihren Mitmenschen zeigen wollte, was für legendäre Gebilde – wahre byzantinische Kriegsmaschinen – sie ersinnen konnte? Eine widerliche Vorstellung, die aber – auf ihre Weise – vollkommen einleuchtend war. Sie hätte den Brückenkopf geschaffen und gehofft, später verhindern zu können, dass er seine Aufgabe erfüllte. Kurzum, sie wäre in die gleiche Situation gekommen, in der sie jetzt war.
    Der Brückenkopf. – die umgestaltete Lorean – befand sich im Anflug auf Cerberus und wurde dabei zusehends langsamer. Wenn er den Planeten erreichte, würde er nicht schneller fliegen als eine Gewehrkugel, aber eine Gewehrkugel mit einer Masse von Millionen von Tonnen. Träfe der Brückenkopf mit dieser Wucht auf die Oberfläche eines normalen Planeten, dann würde seine kinetische Energie sehr wirkungsvoll in Wärme umgewandelt: es gäbe eine gewaltige Explosion, die ihr Spielzeug mit einem Schlag zerstören würde. Aber Cerberus war kein normaler Planet. Sie ging – gestützt auf unzählige Simulationen – davon aus, dass schon die Masse der Waffe genügen müsste, um die dünne künstliche Kruste über dem Inneren der Welt zu durchschlagen. Was danach kam, wenn die Welt erst ein Loch hatte, konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen.
    Und deshalb war sie jetzt sprachlos vor Angst. Sylveste war aus intellektueller Eitelkeit so weit gegangen – vielleicht auch noch aus anderen Gründen –, aber sie war von dieser Schwäche nicht frei, sie war blind dem gleichen Trieb gefolgt. Jetzt wünschte sie, sie hätte das Projekt nicht so ernst genommen; hätte den Brückenkopf so konstruiert, dass sein Erfolg weniger wahrscheinlich war. Wenn sie sich vorstellte, was geschehen würde, wenn ihr Kind sie nicht enttäuschte, packte sie das blanke Entsetzen.
    »Hätte ich gewusst…«, sagte sie endlich. »Ich weiß nicht. Aber ich hatte keine Ahnung, also spielt es keine Rolle.«
    »Warum hast du nicht auf mich gehört?«, sagte Khouri. »Ich hatte dich beschworen, diesem Wahnsinn ein Ende zu machen. Aber mein Wort genügte dir nicht, du musstest es auf die Spitze treiben.«
    »Ich konnte Sajaki wohl kaum etwas von deiner Vision aus dem Leitstand erzählen. Er hätte uns beide getötet, davon bin ich überzeugt.« Allerdings ließ sich eine Auseinandersetzung mit Sajaki möglicherweise doch nicht mehr umgehen – vom Spinnenraum aus hatten sie nur begrenzte Möglichkeiten und die genügten vielleicht schon bald nicht mehr.
    »Wenigstens hättest du mir vertrauen können«, sagte Khouri.
    Unter anderen Umständen, dachte Volyova, hätte sie Khouri in diesem Moment geschlagen. Doch jetzt antwortete sie nur nachsichtig: »Wie kannst du mir mangelndes Vertrauen vorwerfen? Wer hat sich denn mit Lüge und Betrug auf mein Schiff geschlichen?«
    »Was blieb mir denn anderes übrig? Die Mademoiselle hatte meinen Mann.«
    »Wirklich?« Volyova beugte sich vor. »Bist du dir da auch ganz sicher, Khouri?

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