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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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begleitete. Aber er war noch jung genug, um der Wirkung zu trotzen: biologisch war er erst dreiunddreißig Jahre alt, obwohl seit seiner Geburt mehr als sechzig Jahre vergangen waren.
    »Alles… in Ordnung?« Mühsam rang er sich die Frage an die Reanimations-Ärzte ab, während er in das Nichts vor dem Fenster der Station hinausstarrte, das ihn fesselte wie ein schwarzer Schneesturm.
    »Sie sind fast im grünen Bereich«, sagte der Arzt neben ihm. Er kontrollierte die Neuralanzeigen, die vor ihm durch die Luft scrollten, und klopfte sich dabei mit dem Eingabestift an die Unterlippe. »Aber Valdez haben wir verloren. Damit rückt Lefevre auf Platz eins vor. Können Sie auch mit ihr arbeiten?«
    »Um Bedenken zu äußern, wäre es jetzt doch wohl etwas zu spät, nicht wahr?«
    »Das sollte ein Scherz sein, Dan. Also, woran erinnern Sie sich? Reanimations-Amnesie ist das Einzige, worauf ich noch nicht untersucht habe.«
    Zunächst fand er die Frage albern, doch dann erforschte er sein Gedächtnis und stellte fest, dass es so träge reagierte wie das Dokumentensuchsystem einer wenig effizienten Bürokratie.
    »Erinnern Sie sich an Spindrift?«, fragte der Arzt leicht besorgt. »An Spindrift müssen Sie sich erinnern, das ist sehr wichtig…«
    Er erinnerte sich, gewiss – aber im ersten Moment konnte er keine Beziehung zu anderen Erinnerungen herstellen. Woran er sich erinnerte – das Letzte, was nicht zusammenhanglos im Nichts schwebte – war Yellowstone. Sie hatten es zwölf Jahre nach den Achtzig verlassen; zwölf Jahre, nachdem Philip Lascaille mit Sylveste gesprochen hatte; zwölf Jahre, nachdem sich der Mann ertränkt hatte, weil seine Aufgabe offenbar erfüllt war.
    Es war eine kleine, aber gut ausgerüstete Expeditionsmannschaft – die zum Teil aus Chimären bestehende Lichtschiff-Besatzung, Ultranauten, die mit der übrigen Menschheit nur wenig Umgang pflegten; zwanzig Wissenschaftler, zumeist aus den Reihen des SISS; und vier Kandidaten für den Fall, dass es zum Kontakt kam. Nur zwei von den vieren sollten tatsächlich bis zum Schleier reisen.
    Lascailles Schleier war das Ziel, aber er war nicht die erste Station. Sylveste hatte sich Lascailles Rat zu Herzen genommen. Die Musterschieber waren von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Mission. Deshalb musste man zuerst ihre Welt anfliegen, die zwanzig bis dreißig Lichtjahre vom Schleier entfernt war. Sylveste hatte sich auch damals noch kaum vorstellen können, was ihn dort erwartete. Aber er hatte Lascaille mehr oder weniger blind vertraut. Der Mann hatte sein Schweigen gewiss nicht ohne Grund gebrochen.
    Die Schieber galten seit über hundert Jahren als Kuriosität. Jede der Welten, auf denen sie lebten, wurde von einem einzigen, den ganzen Planeten bedeckenden Ozean beherrscht. Die Schieber selbst waren ein biochemisches Bewusstsein, das diese Ozeane durchsetzte, ein Zusammenschluss von Mikroorganismen, die zu inselgroßen Gebilden verklumpt waren. Alle Schieberwelten waren tektonisch aktiv und einigen Theorien zufolge bezogen die Schieber ihre Energie aus hydrothermalen Spalten auf dem Meeresboden. Die Wärme wurde in bioelektrische Energie umgewandelt und diese wiederum über organische Supraleiterfäden kilometerweit durch die schwarze Kälte an die Oberfläche geleitet. Wonach die Schieber strebten – wenn überhaupt – war vollkommen unbekannt. Es lag auf der Hand, dass sie die Biosphären der Welten beeinflussen konnten, auf denen sie sich ausgesät hatten, indem sie wie eine intelligente Phytoplankton-Masse agierten – aber ob das womöglich nur Mittel zu einem unbekannten höheren Zweck war, wusste niemand. Bekannt – aber ebenfalls ungenügend erforscht – war nur die Fähigkeit der Schieber, wie ein einziges weltumspannendes neurales Netz Informationen zu speichern und wieder abzurufen. Die Speicherung erfolgte in verschiedenen Medien, von losen Fadengeflechten, die an der Oberfläche trieben, bis zu frei schwebenden RNA-Strängen. Wo die Meere begannen und die Schieber aufhörten, war nicht festzustellen – ebenso wenig ließ sich entscheiden, ob eine Welt viele Schieber oder nur ein einziges, beliebig erweiterbares Individuum beherbergte, denn auch die Inseln waren über organische Brücken miteinander verbunden. Die Schieber waren also lebende Datenbanken von der Größe einer Welt; riesige Informationsschwämme. Fast alles, was in einen Schieber-Ozean eintauchte, wurde von mikroskopischen Fäden durchdrungen und teilweise

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