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Ungeahnte Nebenwirkungen

Ungeahnte Nebenwirkungen

Titel: Ungeahnte Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Pearl
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besten Willen nicht aufnehmen. Statt fester Nahrung konsumierte sie um so mehr Kaffee, was die unangenehme Nebenwirkung der Schlaflosigkeit hatte.
    Irgendwie entglitt Nicole mehr und mehr die Kontrolle über ihren Körper und ihren Alltag. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie zog sich zurück, kramte die Maske mit dem undurchdringlichen Lächeln aus dem hintersten Winkel hervor und hangelte sich durch ihre Arbeitstage.
    Dort, wo sich noch bis vor kurzem Nicoles Herz befunden hatte, klaffte jetzt ein tiefes, schwarzes Loch. Ihre Hülle funktionierte zwar noch fast einwandfrei, doch ihr Innenleben war vollständig zum Erliegen gekommen. Leer, einfach nur leer fühlte sich Nicole. Es gab nichts, was sie von dieser Leere hätte ablenken können. Sie empfand nichts, absolut nichts mehr. Die Bücher, die ihr sonst so zuverlässige Hilfe geboten hatten, versagten ihren Dienst. Sie brachte sie ungelesen in die Bibliothek zurück und mied dabei den Blick zu ihrem Tisch nahe der Schwingtür.
    Anfänglich hatte sich Nicole noch mit dem Gedanken getragen, Alice anzurufen, sie zu fragen, wie es Mirjam ging und sie zu bitten, ein gutes Wort für Nicole bei ihr einzulegen. Nicole ließ es bleiben, denn Alice war Mirjams Schwägerin, sie kannte sie länger als Nicole und würde garantiert auf Mirjams Seite stehen. Zudem hatte Alice Nicole unmissverständlich gewarnt, sie hatte ihr exakt vorausgesagt, was passieren würde, wenn sie Michaela aus ihrer Beziehung ausschließen wollte. Die Kassandra hatte Recht behalten! Alice würde auf jeden Fall Mirjam zu schützen versuchen.
    Carmen, die ihr ebenfalls in den Sinn gekommen war, schloss Nicole nach langem Überlegen als Gesprächspartnerin ebenfalls aus. Nicole hatte sich zu lange nicht mehr bei ihrem One-Night-Stand gemeldet. Sie jetzt mit ihrem Liebeskummer zu überfallen wäre ziemlich egoistisch gewesen.
    Blieb noch Helen, die ihr bestimmt als treue Freundin ein offenes Ohr geliehen hätte. Nicole wollte aber nicht, dass die Geschichte in der lesbischen Familie die Runde machte, und sie war sich nicht ganz sicher, ob Helen Anna gegenüber wirklich hätte schweigen können.
    Die Bestandsaufnahme fiel ernüchternd aus. Nicole hatte niemanden, an den sie sich wenden konnte mit ihrem Schmerz. Es gab niemanden, dem sie wirklich genügend vertraute, um ihm die tiefe Verletzung zu offenbaren. Beim Gedanken an ihre Familie lachte Nicole gequält auf. Ihre Eltern und Geschwister wären die letzten, die Verständnis für ihren Liebeskummer aufbringen würden.
    »Du bist allein, ganz und gar allein«, erklärte Nicole ihrem Spiegelbild, das sie kaum erkannte, den offensichtlichen Sachverhalt.
    »Und nun? Was machst du nun?« fragte sie ihr Spiegelbild.
    Es blickte sie mit tiefliegenden Augen an, die von roten Äderchen durchzogen waren. Die Spuren der schlaflosen Nächte ließen sich nur noch mit sehr viel Make-up mehr schlecht als recht vertuschen.
    Nicole wurde nachgesagt, dass sie über ein Kämpferherz verfüge. Davon war jetzt nichts zu spüren, denn sie hatte überhaupt kein Herz mehr. Apathisch stand sie morgens auf, unbeteiligt beriet sie Kunden, emotionslos hörte sie sich Helens Geschichten an und beendete irgendwann ihren Tag wie eine Marionette vor dem Fernseher sitzend.
    Zwischendurch versuchte sich die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf bemerkbar zu machen. Sie forderte Nicole auf, endlich aktiv zu werden, die Suche nach Mirjam zu intensivieren oder aber sie endlich ganz aufzugeben und sich wieder dem Leben zuzuwenden. Nicole ließ sie flüstern und schreien und zappte sich durch die Programme.
    Der Jahreswechsel stand unmittelbar bevor. Seit Nicole als Teenager das Tagebuchschreiben entdeckt hatte, das sie allerdings nur wenige Jahre konsequent betrieb, war es ihr zur Gewohnheit geworden, am Ende der dreihundertfünfundsechzig Tage eine Art Rückblick zu machen.
    Diesmal schrieb sie die Ereignisse des vergangenen Jahres mit sehr viel Wehmut und noch mehr Niedergeschlagenheit auf ein Stück Papier. Sie las den Zettel, auf dem sie die schönen Wochen und Monate, die sie mit Mirjam hatte verbringen dürfen, niedergeschrieben hatte, immer wieder durch.
    Es war vorbei, sie hatte die einmalige Chance auf ein Leben mit der einen einzig richtigen Frau durch ihre Eifersucht und Unbeherrschtheit leichtfertig verscherzt. Sie wusste, dass sie nicht zu den Glücklichen gehörte, die immer noch eine zweite Chance erhielten, das hatte sie noch nie!
    Nicole trank einen Schluck aus ihrem

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