Ungeplant (German Edition)
aber besser als gar nichts.“
Ich schaffe gerade mal einen halben Teller, da ich in den letzten Wochen kaum etwas gegessen habe.
„Was ist jetzt mit dir und Sven?“
Jana spielt mit Max‘ spärlichem Haarflaum und versucht, ihre Frage beiläufig wirken zu lassen. Vor Kims Beerdigung habe ich Thomas gebeten, Sven nichts zu sagen, weil ich es lieber selbst machen wollte. Da war noch gar nicht offiziell, dass Max bei mir bleiben kann. Aus diesem Grund weiß Sven noch nichts von meiner neuen Situation und Kims Tod.
„Keine Ahnung. Ich weiß im Moment nicht, wo mir der Kopf steht. Außerdem wird er wohl die Flucht ergreifen, wenn er sieht, was bei mir los ist.“
„Warum hast du es ihm noch nicht erzählt? Ich verstehe das nicht.“ Sie greift hinter sich nach einer bereitgestellten Teeflasche für Max und lässt ihn ein paar Schlucke trinken.
„Weil er sofort zurückgekommen wäre.“
„Und das wäre schlimm gewesen, weil?“
„Er kann nicht alles für mich hinschmeißen. Das hier ist nicht sein Problem.“
„Oh Melli, du solltest ihm wirklich mehr zutrauen. Er liebt dich.“
„Ich weiß.“
Genau deswegen habe ich keine Ahnung, wie ich es ihm sagen soll. Sven ist viel zu loyal, um mich in dieser Situation sitzen zu lassen. Doch Loyalität ist die falsche Voraussetzung, um einen Neuanfang zu wagen.
Mein Handy piept auf dem Küchentisch und zeigt den Eingang einer SMS.
- Hey Süße. Ein Becher Ben & Jerrys, 2-3 Frauenfilme auf DVD und eine Großpackung Taschentücher. Wie klingt das? Und nein, es stört mich nicht, wenn Du Dich zwischendurch um Max kümmerst. Wie könnte mich der süße Fratz stören. Sag nicht wieder Nein. Liebe Grüße. Jenny -
Fragend schaut Jana mich an, also halte ich ihr das Telefon hin, damit sie die Nachricht lesen kann.
„Sei froh, dass du eine solche Freundin hast. Meine kinderlosen Freundinnen haben nach der Geburt der Zwillinge nicht mehr viel von sich hören lassen. Denen war das zu anstrengend.“
Sie hat ja recht. Wenn ich Jenny weiter abwimmele, bin ich bald ganz alleine.
Jana räumt noch die Küche auf und badet Max für mich, während ich auf der Couch liegen und eine Zeitschrift lesen darf. Doch ich bin nicht mehr in der Lage, einfach die Ruhe zu genießen. In den letzten Wochen stehe ich so unter Strom, dass ich irgendwie gar nicht runterfahren kann, ohne komplett zusammenzubrechen.
Am frühen Nachmittag fährt sie wieder nach Hause und überlässt mich meinen Gedanken, die unvermeidlich in eine Richtung wandern. Sven.
Er kommt bald nach Hause, doch ich weiß wirklich nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll.
10.
Jenny ist mein Lebensretter. Seit unserem letzten Frauenabend/Heulfest ist sie fast jeden Abend hier und lenkt mich ein bisschen ab. Sie spielt mit Max, während ich uns Abendessen koche, und weicht beharrlich dem Thema Sven aus.
Allerdings nicht heute Abend. Ich stehe im Bad und versuche, keine Panikattacke zu entwickeln. Der Plan ist, nur für heute wie ein normaler Mensch auszusehen. Ohne Spuckflecken auf meinem Shirt, mit gekämmten Haaren und sogar etwas Wimpertusche.
Svens Flieger landet in zwei Stunden und ich habe noch nicht mal eine saubere Hose. Nur in Unterwäsche gehe ich ins Schlafzimmer, wohin Jenny mir mit Max auf dem Arm folgt.
„Du kommst wirklich klar mit ihm?“, frage ich abwesend, während ich ein Langarmshirt aus dem Schrank ziehe und wider besseres Wissen nach einer frischen Jeans suche. Das hat man davon, wenn man sich erst kurzfristig dazu durchringen kann, seinen besten Freund vom Flughafen abzuholen.
„Sicher. Der kleine Mann und ich sind beste Freunde. Du hast mir eine ausführliche Liste gemacht. Hier kann nichts schief gehen. Lass Dir Zeit, Süße. Morgen ist Sonntag und ich muss nicht arbeiten. Meinetwegen geht essen oder vögelt euch die Seele aus dem Leib.“
„Ja, als ob …“, lache ich höhnisch. Alles was ich will, ist ihn zu sehen. Irgendwie muss ich den Mut aufbringen, ihm zu erklären, was hier gerade Phase ist.
Jenny greift an mir vorbei in meinen Kleiderschrank und zieht ein T-Shirt sowie einen kurzen Jeansrock raus. Ungläubig sehe ich sie an. So kann ich doch wohl kaum da auftauchen.
„Melina Baur, draußen sind es fast 30 Grad. Kein Grund sich zu verhüllen.“
Verwundert schaue ich aus dem Fenster und nehme das erste Mal seit Tagen das Wetter wieder richtig wahr. Im Moment geht alles an mir vorbei und ich habe noch nicht mal bemerkt, dass längst der Sommer da
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