Ungeschoren
Micke Furberg war es egal, ob gekifft wurde, Hauptsache, es kamen Leute. Suppan war und ist bis heute total weltfremd. Ein Jazzfanatiker ohne jeden Durchblick, was die Außenwelt angeht.«
»Und gleichzeitig war es für Jorge der Ort, wo er durchatmen konnte?«
»Ganz bestimmt. Nach meiner Erfahrung kann man, wenn man Musik macht, Rock oder Jazz, gar nicht umhin mitzukriegen, dass dabei reichlich Drogen im Spiel sind. Er liebte die Musik. Er hat in Kauf genommen, dass um ihn herum Drogen konsumiert wurden. Man kann nicht ganz sauber bleiben.«
»Er war also nicht ganz sauber?«
»Ich meine saubere Hände. Klar hat er eine Menge Dinge mitgekriegt, die er, rein formell gesehen, hätte melden müssen. Aber wer lebt schon ein rein formelles Leben?«
»Sie haben also nie gesehen, dass er Drogen genommen hat?«
»Jorge Chavez? Nein, kaum. Ich frage mich, ob Gurgel ohne ihn heute noch leben würde.«
»Noch eines: Sagt Ihnen der Name Eva-Liza Besch etwas?«
»Besch? Nein. Nein, ich glaube nicht. Aber es waren immer Mädchen da. Mädchen, die Musiker lieber mögen als Musik, um es mal so zu sagen.«
»Können Sie sich melden, falls Sie noch darauf kommen?«
»Klar, natürlich«, sagte Ann-Charlotte Stefansson, Sekretärin bei der Sozialbehörde.
»Und Suppan? Sundberg?«
»Alvin Sundqvist. Er arbeitet jetzt bei der Stadtverwaltung in der Kulturabteilung. Aber er kriegt nie was auf die Reihe. Lebt hoch über den Wolken.«
»Und Gunnar Urbansson sollte man also erreichen können?«
Untermalt von einem tiefen Seufzer, ließ Hjelm das Band auf 3314 vorlaufen. Ganz in Übereinstimmung mit seinem schicken, ausgeklügelten Schema.
»Uäääkrrrääächz.«
»Fühlen Sie sich jetzt besser?«
»Ja, klar doch. Und selbst?«
»Als ob der Hörer ziemlich verschleimt wäre. Erzählen Sie jetzt vom Majls, Gurgel.«
»Ein stilvolles Etablissement im Stadtkern von Sundsvall.«
»Wo Sie schwer drogenabhängig geworden sind.«
»Hören Sie mal. Ich bin entgiftet. Fast, auf jeden Fall. Und ich bin nicht da drogenabhängig geworden, wie Sie es so süß bezeichnen. Im Gegenteil, könnte man sagen. Da bin ich überhaupt auf andere Gedanken gekommen.«
»Im Majls kamen also keine Drogen vor.«
»Ich glaube nicht, dass ich das gesagt habe.«
»Was haben Sie denn gesagt?«
»Dass ich da auf andere Gedanken gekommen bin. Aber klar, dass es Drogen gab. Es war ein Jazzclub.«
»Also haben Sie ein bisschen verkauft, um die Einnahmen zu strecken?«
»Sehr wenig. Micke, Suppan und ich, wir haben das Geschäftliche betrieben. Ist das nicht übrigens verjährt?«
»Für Sie, Micke und Suppan ist es das wohl.«
»Wir haben die tägliche Plackerei erledigt.«
»Waren Sie nicht mehr Leute im Vorstand?«
»Doch, aber Jorge spielte nur. Und besorgte Musiker aus Stockholm. Micke hat das Publikum rangeholt. Hauptsache, es kamen Leute, dann war er mit allem einverstanden.«
»Jorge?«
»Nein, Micke. Er ließ mich ein bisschen dealen. Nicht sehr viel. Ist es auch sicher, dass das inzwischen verjährt ist? Ich bin im Begriff, ein gesetzestreuer und giftfreier Bürger zu werden.«
»Keine Sorge. Erzählen Sie weiter.«
»Also, wenn jemand nicht lockerließ, konnte ich ein bisschen was zum Rauchen rausrücken. Das war alles. Hasch und Marihuana.«
»Kein Rauchheroin?«
»Es kann vorgekommen sein, aber ich habe absolut nichts dergleichen verkauft. Wo hätte ich es herhaben sollen? Ich war Kiffer, kein Dealer.«
»Was haben die anderen dazu gesagt, dass Sie Hasch verkauft haben?«
»Suppan dachte nur in Riffs und Tonfolgen und rhythmischen Figuren. Rein theoretisch. Micke hat ein Auge zugedrückt; es trug dazu bei, dass Leute kamen. Und Jorge hat versucht, es mir auszureden.«
»Hat Jorge selbst nichts genommen?«
»Dann und wann konnte er mal mitrauchen. Kleine Züge. Hauptsächlich, um nicht als Spielverderber dazustehen, war mein Eindruck. Wenn ich heute, wo ich clean bin, an die Zeit zurückdenke, war er mein einziger wirklicher Freund. Ja, doch. Der Rest waren Kifferkumpel.«
»Erinnern Sie sich an eine Razzia? Irgendwann fünfundneunzig?«
»Ein mieser Arsch hat mich verprügelt. Und Micke hat auch ein paar Schläge mitgekriegt.«
»Und Jorge?«
»Er war nicht da. Ich weiß nicht mal, ob er da schon angefangen hatte.«
Paul Hjelm schaltete das Tonbandgerät ab. Die anschließende Stille hallte bedeutend schlimmer als die Worte.
Das Bild war wirklich nicht glasklar, aber es war etwas deutlicher geworden. Wenn man sich
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