Ungestüm des Herzens
ich sie kannte, ehe sie starb.«
»Henrietta Blackstone?«
»Si.«
Samantha war mehr als überrascht, doch sie entschloss sich, Teresa zumindest Zweifel einzupflanzen. »Sheldon, du hättest mir schreiben sollen, dass Großmutter im Alter nicht mehr ganz so verbittert war. Vielleicht wäre ich dann eher gekommen.«
Sheldon räusperte sich verlegen. »Sie ist mit dem Alter nicht weicher geworden, meine Liebe, oder zumindest habe ich davon nichts gemerkt. Sie hat auch nicht ... ja, also ... sie hat nie ... «
»Mir nie verziehen, dass ich nach Amerika gegangen bin?« half ihm Samantha lächelnd weiter.
»Ich hätte es nicht so plump formuliert«, sagte Sheldon. In seinem Blick stand eine Warnung.
»Nein, das tust du nie.«
»Ach, deshalb sind Sie also enterbt worden?« fragte Teresa.
Samantha hätte am liebsten gelacht, als Sheldons finsteres Gesicht sich von ihr zu seiner plump direkten zukünftigen Braut wandte.
»Woher wissen Sie das?« fragte Samantha. »Ich kann nicht glauben, dass mein Bruder mit Ihnen darüber spricht, dass ich enterbt worden bin?«
»Ihre abuela hat zu mir von Ihnen gesprochen«, erklärte Teresa. »Nicht Sheldon.«
Samantha lehnte sich zurück und musterte die etwas ältere Frau, die ihr gegenübersaß. Es fiel ihr schwer, Teresa zu glauben. Henrietta Blackstone, eine freundliche, wunderbare Frau?
Diese Beschreibung war so lachhaft, dass es einfach lächerlich war. Und dass ihre Großmutter mit einer Fremden über sie gesprochen hatte, nachdem sie geschworen hatte, Samanthas Namen nie mehr auszusprechen? Aber weshalb sollte Teresa lügen?
»Es stimmt natürlich, dass ich enterbt worden bin«, gab Samantha zu. »Zwischen meiner Großmutter und mir war in keiner Hinsicht ein Einverständnis möglich. Sie hat mich enterbt, als ich es vorgezogen habe, zu meinem Vater zu ziehen, statt bei ihr zu bleiben. Das ist ein Entschluß, den ich übrigens nie bereut habe.«
»Dann bereuen Sie auch Ihren Verlust nicht?«
»Für mich spielt das keine Rolle. Mein Vater ist nicht gerade arm, Teresa. Ich habe alles, was ich mir nur wünschen kann.«
»Sie hat zudem auch einen reichen Mann«, mischte sich Jean plötzlich ein.
Samantha drehte sich zu Hank um. Er zuckte die Achseln.
»Der Reichtum meines Mannes ist irrelevant, Monsieur Merimée .« Samanthas Blick war voll kühler Geringschätzung. »Außerdem halte ich dieses Thema für eher geschmacklos.«
»Verzeihen Sie mir, Samantha«, sagte Teresa zerknirscht. Ihrem aufgesetzten Lächeln fehlte jede Spur von Bedauern. »Meine Sorge war nur, Sie könnten Ihrem hermano diese Erbschaft missgönnen . Es ist nicht gut, Neid in der Familie zu haben.«
Samantha war sprachlos. Und sie hatte gefürchtet, ihren Bruder durch Grobheiten zu verärgern! Er saß da und starrte Teresa mit wütenden Augen und verkniffenen Lippen an. Es muss te ihn ungeheuer viel Mühe kosten, seine Gefühle nicht zu zeigen.
»Deine Sorge um die Gefühle meiner Schwester ist ... ergreifend, Teresa«, sagte Sheldon in das angespannte Schweigen hinein. »Aber du hättest dir keine Sorgen zu machen brauchen. Ihr erstgeborenes Kind bekommt die Hälfte des Blackstone-Vermögens.«
»Was?« fragte Teresa mit leicht erregter Stimme.
Samantha warf ihr einen scharfen Blick zu. Auch Jean Merim ée wirkte beunruhigt.
»Das verstehe ich nicht, Sheldon«, sagte Jean. »Ich habe das Testament deiner Großmutter doch selbst vollstreckt. Darin wurde nicht erwähnt ... «
»Nein, das stimmt«, fiel ihm Sheldon trocken ins Wort. »Aber es bestand kein An lass , dass du etwas über das Testament meines Großvaters erfährst, das du nicht vollstreckt hast. Er war nicht so stur und verbissen wie seine Frau. Er wollte nicht, dass seine einzige Enkelin leer ausgeht, und daher hat er auf dem Weg über ihre Kinder für ihren Unterhalt gesorgt. Meine Großmutter wußte nichts davon,«
Samantha unterdrückte ein Grinsen. Am liebsten hätte sie ihrem Bruder Beifall gespendet. Er hatte kühl ein paar Federn gerupft und somit seinen Zorn zu seiner Zufriedenheit ausgelebt. Jetzt war er so ruhig und ge fasst wie immer. Wie stellte er das an? Vielleicht konnte sie doch noch etwas von ihrem Bruder lernen.
Sie hätte eigentlich wütend sein sollen, weil sie bisher nichts davon gewusst hatte, aber sie war nicht wütend. Dennoch konnte sie nicht widerstehen, Sheldon noch ein bisschen aus der Reserve zu locken.
»Ist das eine der Kleinigkeiten, die du erst im letzten Moment klarstellst, Sheldon? Es
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