Ungezaehmte Nacht
Hauptmänner versteiften sich. Isabella spürte, wie ihr die Röte in den Nacken und in die Wangen stieg. Alle reagierten auf die simple Frage, als hätte sie einen schweren Verstoß gegen die Etikette begangen.
Nicolai ignorierte die anderen, und seine Sicht und Welt verengten sich, bis es nur noch Isabella und ihn gab. Seine großen Hände umfassten zärtlich ihr Gesicht, und sein Blick glitt hungrig über sie. » Grazie, piccola . Ich wünschte, ich hätte die Zeit dazu. Für dich würde ich alles tun.« Seine sinnliche Stimme war dunkel vor Bedauern. »Aber ich habe mehrere Abgesandte schon viel zu lange warten lassen.« Er senkte den Kopf und hauchte einen Kuss auf ihre Schläfe, wobei seine Finger einen Moment auf ihrer zarten Haut verweilten. Doch dann wandte er sich ab und entfernte sich auf seine gewohnte lautlose, geschmeidige Art.
Als Isabella sich ihren Gästen zuwandte, merkte sie, dass die beiden Paare sie beobachteten. Sie hob das Kinn, setzte ein selbstbewusstes Lächeln auf und wies auf die festlich gedeckte Tafel im kleinen Salon. »Wie es aussieht, hat die Köchin ein Festessen für uns vorbereitet. Ich hoffe, Ihr seid mit Appetit gekommen. Grazie , meine Herren, dass Ihr mir Gesellschaft mitgebracht habt! Ich bitte Euch, Platz zu nehmen.«
»Wir kommen bald wieder zurück«, versicherte Rolando seiner Frau. »Aber auch wir haben unsere Pflichten zu erfüllen«, erklärte er und tätschelte seiner Gemahlin noch einmal beruhigend die Hand, bevor er ging.
Theresa schaute ihm nach. Sie zitterte sichtlich, und ihre Augen huschten ängstlich durch den Raum, als erwartete sie, ein Gespenst aus der Wand hervortreten zu sehen.
Violante blickte ihren Mann mit hoffnungsvoller Miene an. Als er ging, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen, ließ sie enttäuscht die Schultern hängen. Doch sie nahm sich schnell wieder zusammen und setzte sich gerade hin. »Sergio sagte mir, die Hochzeit solle noch in diesem Monat stattfinden«, bemerkte sie und taxierte prüfend Isabellas kurvenreiche Figur. »Vermutlich seid Ihr …«, sie unterbrach sich gerade lange genug, dass es an Unverschämtheit grenzte, »nervös.«
Isabella lächelte kühl. »Im Gegenteil, Signora Drannacia. Ich freue mich schon sehr darauf. Nicolai ist überaus charmant und aufmerksam. Ich kann es kaum erwarten, seine Frau zu werden.«
Sarina schenkte den Tee ein, eine Mischung aus verschiedenen Kräutern. Sie hielt den Blick entschlossen auf den Tisch gerichtet, doch Isabella entging nicht, wie sie die Lippen zusammenpresste.
»Habt Ihr keine Angst?«, wagte Theresa zu fragen.
»Wovor sollte ich denn Angst haben? Alle waren ganz wundervoll zu mir«, erwiderte Isabella in einer perfekten Darstellung der erstaunten, unschuldigen, nichts ahnenden jungen Frau. »Sie haben mir gleich das Gefühl gegeben, im Palazzo DeMarco daheim zu sein. Ich weiß, dass ich hier glücklich sein werde.«
Sarina grinste sie verstohlen an, als sie einen Teller Plätzchen auf den Tisch stellte. Danach zog sie sich diskret in den Hintergrund zurück und überließ es Isabella, allein mit ihren Besucherinnen zurechtzukommen.
Trotz ihrer Jugend war Isabella schon in ähnlichen Situationen gewesen. Violante Drannacia war eine Frau, die sich bedroht fühlte. Sie war entschlossen, ihre – reale oder auch nur eingebildete – Position zu behalten und damit auch die Oberhand über alle anderen Frauen im Palazzo. Auch ihres Ehemannes war sie sich nicht sicher und fühlte sich daher genötigt, jede Konkurrenz zu warnen. Isabella kannte die Signale gut.
Violante sah sehr überlegen und erfahren aus, als sie ihr Haar zurechtstrich. Es war offensichtlich, dass sie Theresa mühelos einzuschüchtern wusste. Jetzt beugte sie sich zu Isabella vor und blickte sich vorsichtig im Zimmer um. »Kennt Ihr die Legende nicht?«
»Oh, was für eine faszinierende Geschichte, nicht? Ich kann es kaum erwarten, sie in einer dunklen, stürmischen Nacht meinen Kindern zu erzählen«, behauptete Isabella. Dabei fragte sie sich im Stillen, von was für einer Legende diese Frau wohl sprach.
»Wie könnt Ihr es ertragen, ihn anzusehen?«, wollte Violante mit einem herausfordernden Blick wissen.
Das Lächeln schwand aus Isabellas dunklen Augen. Sie straffte die Schultern und setzte eine hochmütige Miene auf. »Macht nicht den Fehler, Euch zu vergessen, Signora Drannacia! Ich bin hier zwar noch nicht die Herrin, doch ich werde es bald sein. Und ich dulde nicht, dass Nicolai in irgendeiner
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