Ungezaehmtes Verlangen
hergeschoben, die keinen Aufschub geduldet hätte.« Er blickte zu Paenther hinüber. »Also gut. In einer Stunde findet die Paarungszeremonie statt.«
Paenther nickte.
Als sich Lyon von Kara löste, war ihre Panik zwar verschwunden, doch ihr Blick wirkte wilder, als ihm lieb war.
»Komm mit.« Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie schob die ihre, ohne zu zögern, hinein und folgte ihm aus dem Zimmer. Er presste seine Handfläche gegen ihre und beruhigte sie, während er sie die Treppe hinaufführte. Doch in dem Maße, wie ihre Angst nachließ, spürte er ihre Wut aufsteigen.
Als sie ihr Zimmer erreicht hatten, riss sie sich von ihm los und griff nach ihrem Koffer. »Ich finde es schrecklich hier! Ich fahre sofort nach Hause zurück.«
Nein. Das würde sie nicht tun. Aber er war klug genug, dies nicht laut auszusprechen. Noch nicht. Nicht, bis er eine Gelegenheit gefunden hatte, ihre Wut zu besänftigen. Er trat rasch zu ihr und ergriff ihre steifen Schultern, doch sie wand sich aus seinem Griff und blitzte ihn mit ihren strahlend blauen Augen wuterfüllt an. Ihre Wangen waren vor Erregung gerötet.
»Hör auf damit! Hör auf, meine Gefühle zu lenken. Ich genieße es, wütend zu sein.« Doch er spürte, wie ihre Wut mit jedem Wort nachließ. »Ich hasse es, mich ängstlich zu fühlen.« Sie hob die Hände und legte sie auf ihren Kopf, während ihr Blick hektisch über den Boden zuckte. »Ich werde hier noch vollkommen verrückt.«
Schließlich ließ sie die Hände sinken und sah ihn durchdringend an. »Du hast wohl vergessen, mich über ein paar Kleinigkeiten aufzuklären.«
»Das ist wahr.« Na ja, nicht ganz. Er hatte es wohl eher vermieden . »Es tut mir leid. Ich habe gedacht, du wärst noch nicht so weit, die ganze Geschichte zu hören, aber so hättest du es wirklich nicht erfahren sollen.«
»Ich denke, jetzt solltest du mir aber lieber alles erzählen.« Ihre Stimme klang zwar noch gereizt, aber schon nicht mehr so geladen.
Lyon nickte. Er hatte gewusst, dass er es ihr früher oder später erklären musste, doch er hätte es lieber später getan. »Warum setzen wir uns nicht?« Er musste sie erreichen, sie berühren können, wenn sie sich zu sehr aufregte. Von wegen . Er wollte ihr nur nah genug sein, um den süßen Geruch ihrer Haut zu kosten.
Aber Kara weigerte sich. »Ich will mich aber gar nicht setzen.«
Lyon nahm also auf einem gepolsterten Stuhl am Fenster Platz, von dem aus er sie beobachten konnte.
Sie begegnete seinem Blick. »Was seid ihr hier? Werwölfe oder so was?«
»Gestaltwandler.« Er konnte beinahe sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete.
»Nur Augen und Reißzähne? Und Krallen?«
»Nein. Zu einem solchen Teilwandel kommt es nur, wenn die Gefühle hochkochen. Normalerweise sind das negative Gefühle. Wir nennen den Teilwandel das Wildwerden . Wenn wir im Besitz unserer vollen Kraft sind, können wir uns, sofern wir wollen, auch komplett in unser jeweiliges Tier verwandeln. Dazu muss man allerdings die vollständige Kontrolle haben – und deshalb wandelt man sich normalerweise nicht, wenn man wütend ist.«
Sie wandte den Blick ab, als müsste sie das erst verarbeiten. »Bin ich auch eins? Ich meine, ein Tier?«
»Nein.«
Sie sah ihm wieder in die Augen, bewegte ihren entzückenden Mund, als wollte sie etwas sagen, kaute dann jedoch nur auf ihrer Unterlippe herum. Schließlich stieß sie die Luft gereizt aus und ließ sich auf die Truhe am Ende des Bettes sinken. »Erzähl mir lieber auch noch den Rest, Lyon. Ich muss es ja wissen.«
Sie wollte die Wahrheit erfahren – sie verdiente die Wahrheit. Und dennoch gab es Informationen – über die Rituale –, für die sie noch nicht bereit war. Er würde ihr erzählen, was er verantworten konnte.
»Also gut.« Er setzte sich etwas bequemer hin und gab die kurze Version der Geschichte wieder, von der er als Jugendlicher gehört hatte. »Vor Ewigkeiten, bevor die menschliche Kultur entstanden ist, kämpften zwei unsterbliche Arten mit den Dämonen um die Kontrolle über die Erde. Die Hexer oder Magier – und die Therianer, die Großen Gestaltwandler. Obwohl diese untereinander eigentlich immer verfeindet gewesen waren, schlossen sie sich zusammen, um den größten Dämon, Satanan, zu überwältigen und seiner Schreckensherrschaft durch die Vernichtung seiner Armeen ein Ende zu bereiten.«
Kara musterte ihn mit ihren tiefgründigen Augen, doch ausnahmsweise verriet ihr Gesichtsausdruck einmal nichts von ihren
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