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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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rappelvoll. Ich nehme an, sie sind Pausenmagneten. Klingt das richtig? Ich setzte mich auf eine Bank vor einem leeren Springbrunnen. Das ist jetzt keineswegs eine vollständige Liste, aber innerhalb von fünf Minuten sah ich Inlineskater, Kinderwagen, Fahrräder, Skateboards, Pogo Sticks, Stelzen, Indianer mit vollem Kopfschmuck, Inder mit großem Turban, schöne Mädchen mit großen Brüsten, eine Gruppe von hispanischen Kids, die einen Fußball im Kreis herum kickten, Männer, die mit Männern Händchen hielten, einen alten Mann mit einem Pferdeschwanz und einer schwarzen Lederjacke, auf deren Rücken SPEED stand, einen Jungen mit blonden Haaren, der über zwei Meter groß sein musste, und direkt vor mir eine Frau auf Händen und Knien, eine Frau, die aussah wie eine Hexe in einem meiner Alpträume.
    Sie war kahlköpfig bis auf ein paar lange weiße Strähnen, und ihr Schädel glänzte von Schweiß. Sie trug einen ausgebeulten Overall, der zerrissen und mit so viel Farbe beschmiert war, dass man den Stoff nicht mehr sehen konnte. Sie hatte mit blauer Kreide einen Kreis auf den Asphalt gezogen und darin einen wunderschönen blau-goldenen Vogel gemalt. Licht – ich nehme an, es sollte Licht sein – strahlte vom Kopf des Vogels aus, silbern, orange und rot. Sie arbeitete schnell, grunzend und stöhnend, und wenn das Licht, das von dem Vogel ausging, nicht richtig war, wischte sie den Kreidestaub mit bloßen Händen weg.
    »Schlecht, schlecht … gut … gut«, sagte sie.
    Ich beugte mich auf der Bank nach vorn. Sie malte Wolken unter den leuchtenden Vogel und um ihn herum.
    »Kunst, fat boy. Kunst. Kunst. Kunst«, grunzte sie, ohne zu mir aufzusehen. Ihre Hände bewegten sich flink über ihren Himmel und durch ihre Wolken.
    »Es ist schön«, sagte ich, und ich meinte es ernst.
    »Notizen, weiter nichts. Will es mir einprägen. Will es in der Rübe behalten. Pass auf, fat boy.«
    Sie langte zum oberen Rand ihres Kreises und zog einen violetten Kreidebogen über den blauen Kreis.
    »Das ist alles, fat boy. So erinnert man sich. Notizen.«
    Ächzend rappelte sie sich auf und schaute hinunter auf den Vogel und den Himmel.
    »Ich bin neunundachtzig«, sagte sie, »und dieser Vogel ist immer hier. Da. Da oben. Das ist ein Vogel, und jetzt ist er auch hier unten.«
    »Es ist sehr schön«, sagte ich noch einmal, und mit dem violetten Bogen über dem blauen Kreis meinte ich es noch mal so ernst.
    Nach einer Weile bückte sie sich, warf die Kreidestücke in einen Leinensack, kam zu mir und setzte sich auf die Bank. Sie schwieg, und als sie neben mir saß, sah sie noch älter aus, aber ihre Augen saßen hart und lebendig in ihrem Kopf, und ihr Blick flog über den Park.
    »Guck mal«, sagte sie und gab mir einen Rippenstoß, »da drüben hinter dem Springbrunnen. Venelli. Venelli der Blender. Er verkauft für Hunderttausende, und Venelli ist ein Blender. Vielleicht ist das gar nicht Venelli. Moment mal. Nein. Nein, das ist nicht Venelli, aber erklär’s mir. Bilder von Eichhörnchen? Ein Stillleben mit dem Kadaver eines armen Eichhörnchens, und Venelli verkauft es für ein paar Hunderttausend? Da hast du den Akademiemaler in einem Satz. Ich war bei der Art Students League. Bezahl, was du kannst, sagte sie zu mir. Sie waren froh, mich zu bekommen. Aber sie lehrten mich die Anspannung der Vorbereitung. Die Notizen. Da. Ich werde meinen Vogel nicht vergessen. Er ist da. Ich werde ihn nicht vergessen. O’Keeffe war auch da. Aber das ist natürlich Plakatmalerei.«
    Ein paar Kids mit Büchertaschen gingen vorbei und warfen einen Blick auf das Bild. Es gefiel ihnen, das konnte ich sehen.
    »Das ist das einzig Wahre, Kinder!«, rief sie ihnen dach. »Das ist Omega. Das ist Gottes Werk.«
    Sie verstummte, und wir schauten beide den Vogel an. Als ich mich zu ihr umdrehte, starrte sie mich an.
    »Kunst, fat boy.«
    »Schön.«
    »Menschen? Die nehme ich weder für meine Notizen noch für die Leinwand. Und als ich bloß die Pappe hatte, und als ich bloß das – na? -, das Sperrholz hatte, ich hab sie nicht genommen.«
    Ein Mann auf diesen Inlineskates rollte vorbei. Er trug die Uniform eines römischen Soldaten. Auch ein Schwert. Niemand schien von ihm Notiz zu nehmen.
    »Mein Vater sagte immer: ›Kunst und Licht, Licht und Kunst, das ist alles, wovon du redest.‹ Aber ich kannte ein Geheimnis. Menschen saugen das Licht auf, sie geben keins ab. Ich konnte mehr Leuchten aus einem Baum herausholen. Riesenbäume. Kastanien? Eichen?

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