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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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Ich hab eine ganze Herde Rehe gesehen. Ein paar hatten Babys.
    (Ich versuche es mit einem gekünstelten Lachen. Norma schweigt einen Augenblick.)
    Norma: Los Angeles ist zu weit. Ich hab’s mir auf der Karte angesehen. Goddard sagt, diese Woche rechnen sie dir als Urlaub an.
    Ich: Weißt du, was ich bei Goddard zu tun habe, Norma? Ich gehe in einem Gang neben einem langen Tisch auf und ab und achte darauf, dass die Hände an den »SEAL Sam«-Figuren nach innen gerichtet sind. Dass sie richtig stehen. Ich habe nie über meinen Job nachgedacht.
    Norma: Ich habe niemals Mitleid mit mir selbst.
    Ich: Ich hab nicht …
    Norma: Selbst morgens früh, wenn alle Energie der Welt nötig ist, um aufzustehen und den Tag zu beginnen, habe ich niemals Mitleid mit mir selbst. Weil sie abstürzen, ich weiß das, sie schaffen es eines Tages nicht, früh aufzustehen, und später dann können sie erst gegen zehn aufstehen, und dann um elf, und die ganze Zeit reden sie davon, wie schwer es ist mit dem Rollstuhl und … und … und man muss … man … Ich bin nicht …
    (Ich warte, aber sie spricht nicht zu Ende. Kann sein, dass sie zornig atmet, vielleicht auch unter Tränen, ich weiß es nicht. Aber, Allmächtiger, ich wünschte, ich wäre jeden Tag hinübergegangen. Ich wünschte, ich hätte mit Puppen gespielt oder mit Marionetten, wie dieses unvermeidliche kleine Mädchen es wollte. Bethany schaut zu meinem Fenster im ersten Stock herein und schüttelt den Kopf. Ich drehe das Gesicht zur Wand.)
    Ich: Gettysburg … ist schön. Ich fahre morgen weiter. Ich bin einen Tag länger geblieben und auf den Schlachtfeldern herumspaziert. Ich hab versucht … Ich hab versucht, mir alles vorzustellen. Mom wollte uns ja immer dazu bringen, unsere Fantasie zu benutzen, und …
    Norma: Du hast eine wunderbare Fantasie.
    (Jetzt schweige ich am Telefon, denn Norma irrt sich.)
    Ich: Jedenfalls … Ich hab mir vorgestellt, wie es gewesen wäre, einer dieser Männer zu sein.
    Norma: Das brauchst du dir nicht vorzustellen, Smithy. Sie hätten dich beinahe umgebracht.
    Ich: Na ja …
    Norma: Sie haben auf dich geschossen.
    Ich: Ich dachte, wie sehr die Felder nach Minze rochen, und die großen Sassafrasbäume riechen ein bisschen wie Kräuterlimonade. Ich meine, zu kämpfen und dabei all diese guten Gerüche. Und ich hab ein großes Thunfischsandwich mitgenommen und mich an einen Felsen gelehnt, mitten auf einem Feld, auf dem innerhalb von fünfzehn Minuten fünfunddreißigtausend Mann gestorben sind. Ich dachte daran, dass ich noch nie etwas so unbedingt haben wollte, dass ich dafür jemanden verletzen würde.
    Norma: Ich schon.
    Ich: Ich weiß es nicht.
    Norma: Ich hab’s dir doch gerade gesagt. Ich hab mich selbst geschaffen, Smithy. Ich bin eine kultivierte, nützliche Frau. Aber ich glaube, es gibt etwas, wofür ich unzivilisiert sein könnte.
    (Ich warte, aber ich kann nicht fragen. Ich höre ein paar Regentropfen an der Fensterscheibe.)
    Ich: Es regnet draußen, Norma. Ich bin froh, dass ich noch hier geblieben bin. Es ist bloß, dass all diese Toten – ich hab nie darüber nachgedacht.
    (Ein starker Regen, und ich stelle mir die Jungs vor, durchnässt und voller Schlamm und Schrammen.)
    Ich hab’s nie jemandem erzählt. Ich meine, Mom und Pop, und jetzt bin ich alt …
    Norma: Bist du nicht!
    Ich: – aber Norma, es hat mir eigentlich nichts ausgemacht, als Soldat verwundet zu werden, weil ich die ganze Zeit so viel Angst hatte. Ich war ein großer Feigling in der Army. Ich hab es nie … Ich hab es nie meinem Pop erzählt, oder sonst jemandem … Ich … hab manchmal geweint, nur weil ich … weg war.
    (Ich denke in der Stille. Ich habe nie darüber nachgedacht. Deshalb funktioniert das mit den großen Soleiern und den harten Brezeln am Abend. Das ist die Wirkung der großen Biere. Sie bringen mich weg von diesem mageren Jungen, sie bringen mich so weit weg.)
    Norma: Ich weine auch.
    (Blitz, Donner.)
    Aber ich bemitleide mich nicht. Tut mir Leid, dass ich das mit dem Nichtanrufen gesagt hab. Du brauchst nicht anzurufen. Ich hab kein Mitleid mit mir, du hast kein Mitleid mit mir. Ich wollte nur … Ich wollte dir nur sagen, dass ich stark bin. Wirklich. Ich schaffe es. Ich halte durch.
    Ich: Das weiß ich, Norma. Ich weiß es. Es tut mir sehr Leid, dass ich nie herübergekommen bin. Nach einer Weile war es einfach zu schwer. Ich meine …
    Norma: Ich hab durchs Fenster geschaut. Ich hab auch Mom und Pop gehasst, aber wenn ich Bethany

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