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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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der Ansicht, meine Schwester habe uns umgebracht. Das nenne ich absurd, Dr. Golden. Ich weiß noch, wie ich im Bett lag und die Nick Adams Stories las, denn Nick konnte wunderbar Fliegen auswerfen, und er band sie auch selbst. Ich kam bis zu der Geschichte, in der Nick mit seinem Vater loszieht, um das Baby eines indianischen Ehepaars zu entbinden. Die Indianerin weinte so sehr bei der Geburt, und der Mann hatte solches Mitleid mit ihr, dass er sich umbrachte. Ich konnte nicht weiterlesen. Eine traurige Geschichte, nur zum Traurigsein, und natürlich mit einem Arzt.
    Zwei Tage nach dem Besuch bei Golden bekamen wir einen Brief aus Rockville, Rhode Island, in der Nachbarschaft von Hope Valley und meinem alten Boyscout-Camp. Es war ein sehr netter Brief von einem Mädchen namens Priscilla, die uns erklärte, sie habe unsere Adresse aus dem vorderen Fach in Bethanys Reisetasche. Sie berichtete – jedem, den es betreffen mochte -, sie gehöre einer Gruppe an, die sich einem Leben in Frieden geweiht habe und Freundschaft halte mit der Welt des Menschen und der Natur. Der Mensch, so scheine es, habe seinen Teil des Gleichgewichts nicht gehalten, und deshalb gebe es den Vietnamkrieg. Ich glaube zumindest, dass sie so etwas erzählte. Bethany hatte durch die Jugendgemeinschaft der Grace Episcopal Church davon erfahren, denn diese unterstützte alles, was sich vom Amerika der sechziger Jahre mit Abscheu abwandte. Priscilla schrieb, Bethany sei zwar ein wertvoller Zuwachs für »People’s Way« (ihre Gruppe) gewesen, aber jetzt habe meine Schwester ein paar beunruhigende Neigungen entwickelt. Unter anderem schreie sie sich selbst mit einer Stimme an, die nicht von dieser Welt komme, und reiße sich die Haare aus. Priscilla schrieb uns ihre Adresse in großen Blockbuchstaben.
    »Eine Hippiekommune«, sagte Pop, und er faltete den Brief zusammen und steckte ihn in die Hemdtasche.
    »Hippies?«, fragte Mom.
    »Jesus, Maria und Joseph. Ruf Golden an.«
    Glenn Golden war gereizt, als er sich meldete. Es war früh am Nachmittag, und er wollte gerade zum Golfplatz.
    »Golden«, sagte mein Pop, »wir wissen, wo sie ist.«
    »Wer?«
    »Bethany. Bethany Ide.«
    »Oh … das ist wunderbar. Können Sie sie … sagen wir, morgen in einer Woche herbringen?«
    »Morgen in einer … Hören Sie, ich rufe Sie nicht an, weil ich einen gottverdammten Termin vereinbaren will. Ich will wissen, was wir tun sollen. Jesus, Maria und Joseph!«
    »Na, zunächst mal sollen Sie mich nicht anschreien«, quengelte Golden.
    Pop atmete tief durch, und ich sah, wie seine Hand sich zur Faust ballte und wieder entspannte. »Okay. Sorry. Was?«
    »Wie ist der Zustand?«
    »Welcher Zustand?«
    »Ihr mentaler Zustand.«
    »Sie redet mit sich selbst. Sie reißt sich die Haare aus.«
    »Also erregt?«
    Mein Pop hätte ihn am liebsten umgebracht. Noch einmal tief Luft holen. Noch einmal die Faust ballen. »Ja. Erregt.«
    »Erregt, erregt. Seltsam, dieses Haareausreißen. Ich hatte mal einen Jungen, der sich die Augenbrauen ausriss, wenn er wütend war. Bizarr.«
    »Hören Sie, Dr. Golden, ich hatte gehofft, Sie können mitkommen. So lange war sie noch nie weg. Sie hat offensichtlich ihre Medikamente nicht genommen.«
    »Mitkommen?«
    »Ja?«
    »Ich soll persönlich mit Ihnen kommen und sie zurückholen?«
    »Ja, zurückholen.«
    »Ich muss sagen, das ist unüblich.«
    »Ja.«
    »Höchst unüblich. Persönlich mitzugehen … tja … Ich werde einen Blick in meinen Terminkalender werfen müssen und … hm … Ich meine, Sie denken doch nicht daran, sie … äh … gewaltsam zurückzuholen?«
    Pop ließ den Hörer sinken und rieb sich die Augen. Dann hob er ihn wieder ans Ohr und wollte etwas sagen, aber im letzten Moment legte er auf. Er rief im Bradley Hospital an und sagte ihnen, dass er Bethany so bald wie möglich bringen werde. Wenigstens Bradley war eine Konstante. Ein handfester Anfang. Oder ein Ende. Wir alle stiegen ins Auto und fuhren nach Rockville.
    »Rockville liegt neben Yawgoog«, sagte ich, weil ich etwas sagen wollte. Pop nickte. Mom drehte sich um und lächelte.
    Rockville lag an der Grenze nach Connecticut und bestand aus wenig mehr als einer Post und ein paar alten Häusern. Früher gab es dort eine Seilerei, aber die ist abgebrannt, und deswegen arbeitete eigentlich niemand mehr in Rockville. Mein Pop hielt vor der Post und ging hinein.
    »Ich suche die Hippies«, sagte er zu einer Frau mit einer blauen, amtlich aussehenden Mütze.
    »Hippies?

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