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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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Polizeiwagen sei da gewesen, und sie hätten keine Spur. Bei solchen Anlässen war die Küche der Ides eine Kommandozentrale und kein Familienraum.
    Pop stützte sich auf den Tisch und nahm Moms Neuigkeiten nickend zur Kenntnis. Unsere Küche war klein wie alle Räume in unserem Haus, aber an diesem Abend waren wir selbst auch klein. Wir passten gut hinein. Ich erinnere mich sogar an den gleichmäßigen Wind, der durch das Fenster über der Spüle hereinstrich, und dass Moms feine braune Haare darin wehten. Ich wusste auch, dass Norma uns beobachtete, drüben hinter der flatternden Jalousie; sie beobachtete die Vorgänge in unserer Küche und die langen Schatten, die wir warfen. Ich musste an diesem Abend an Norma denken, und daran, dass wir alle nach und nach aufgehört hatten, zu ihr rüberzugehen, bis es für alle zu spät war.
    »Okay, ich werde Al Prisco im Werk anrufen und ihm sagen, dass ich ein paar Tage nicht zur Arbeit kommen kann. Wir schlafen uns aus, und dann fangen wir in Barrington an. Hast du am Wasserturm gesucht?«
    »Ja, Sir«, sagte ich. Es war das einzige Mal, dass ich meinen Pop »Sir« nannte.
    »Okay. Gut. Dann wollen wir alle ein bisschen schlafen.«
    Mom und Pop schliefen nicht gut. Am nächsten Morgen sahen sie alt aus. So sahen sie immer aus, wenn Bethany gesucht wurde. Alt. Ich konnte nach einer Weile einschlafen. Ich träumte, ich sei ich, aber ich war nicht ich, und als mir schreckliche Dinge zustießen, konnte ich von einem sicheren Ort aus zusehen. Ich wurde in Brand gesetzt, und niemand half mir. Nicht einmal ich, der ich von diesem sicheren Ort aus zusah, konnte mir helfen. Oder ich wollte nicht. Und weil es meine geliebte Schwester war, die mich anzündete, beobachtete ich ihre Augen. Es war nicht schlimm, denn ich sah, dass es gar nicht ihre Augen waren; sie waren beinahe violett – wie der Grund eines Sees oder wie ein Bluterguss.
    Am nächsten Morgen, und drei Wochen lang jeden Morgen, standen wir auf und waren stark. Aber wenn es Nachmittag wurde, sanken wir unter der Last unseres eigenen Versagens zusammen, bis wir schließlich, als wir sie fanden, keine Kraft mehr füreinander hatten.

25
    Montagabend.
    (Zweimal klingeln.)
    Norma: Hallo?
    Ich: Norma?
    (Ich höre Atemstocken, eine kurze Pause, als sei sie entschlossen, nicht zu sagen, was sie sagen muss. Es kommt trotzdem.)
    Norma: Ich werde keine Freudensprünge machen, Smithy, das musst du wissen. Ich bin nicht Norma, die kleine Norma von nebenan, der du den Kopf tätscheln, nur tätscheln, kannst. Ich habe … Ich habe … Ich trage Verantwortung. Wirklich. Ich kümmere mich um alles – Bea, die Architekten, für die ich zeichne, Layouts, Ausdrucke, und ich schreibe sogar Artikel und solche Sachen über Kinder, die im Rollstuhl sitzen, und die Dinge, die ich tue, machen mich … machen mich notwendig. Ich bin eine notwendige Person. Frau. Und wenn du glaubst, ich warte neben dem Telefon … Wenn ich neben dem Telefon warten muss, weil du anrufst und dann nicht anrufst, und da sind … da sind … und … Fahrräder und … und …
    (Ich höre, wie der Hörer auf den Tisch oder auf das Zeichenbrett fällt, und ich höre, wie sie weint. Ich warte, aber die Tränen fließen in gleichmäßigem Strom. Ich bin wieder der magere Junge am Küchenfenster. Ich bin das Ding, das einfach nicht mehr hinübergegangen ist. Ich warte, und dann ist sie wieder da.)
    Norma: Und ich … ich weine wegen etwas, das dich nichts angeht. Ich habe ein Leben, weißt du. Ich habe Freunde. Ich hätte … ich hätte zum Red-Sox-Spiel fahren können … aber … aber … ich habe eine große Verantwortung. Bea hat mich großgezogen, und jetzt sorge ich für sie, weil ich unentbehrlich bin. Weil ich eine unentbehrliche, notwendige Person bin. Und du glaubst, du kannst anrufen und nicht anrufen, weil Norma immer, immer … hier ist.«
    (Ich höre, wie sie schnieft, denn sie legt den Hörer nicht wieder auf den Tisch. Ich höre ihr zu und warte.)
    Ich: Norma?
    Norma: M-hm.
    Ich: Ich bin in einem Howard Johnson’s. Das hab ich mir gegönnt, weil ich eine Dusche brauchte und mich organisieren musste.
    (Ich höre eine echte Stille, über viele Meilen, Hunderte von Meilen. Norma schiebt die Stille von East Providence nach Gettysburg.)
    Ich: Ich bin in Gettysburg.
    Norma: Du bist in Pennsylvania? Ein weiter Weg mit dem Fahrrad.
    Ich: Im Howard Johnson’s. Meistens hab ich draußen geschlafen. Ich hab ein kleines Zelt und einen Schlafsack und solches Zeug.

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