Unglaubliche Reise des Smithy Ide
Sie … äh … wie war der Name?«
»Smithy Ide.«
»Hören Sie, wir wollen nicht drumherum reden, okay? Sie sind so was wie ein Penner, stimmt’s? Tut mir Leid, wenn das gefühllos klingt, aber ehrlich gesagt, alles in allem, ist mir das scheißegal. Ich bin Carls Ärztin, und ich werde nicht zulassen, dass irgendein schmieriger Schwanzlutscher diesen armen Mann ausplündert. Haben Sie verstanden? Also, er hatte jetzt eine Behandlung im Krankenhaus, und morgen komme ich raus, und das schreiben Sie sich hinter die Ohren, Mr. Smith, oder wie zum Teufel Sie sonst heißen mögen: Wenn es ihm nicht gut geht, und wenn er nicht reichlich Flüssigkeit und Proteine bekommen hat, dann mache ich Ihnen ein zweites Arschloch. Verstanden?«
»Ja, Ma’am,«, sagte ich. Und sie legte auf.
32
J edenfalls, ich pinkelte also in das sumpfige Wasser. Dumm war eigentlich nicht das Pinkeln an sich, denn wer konnte schon wissen, dass all die Viecher in dem Sumpf deswegen verstummen und dass all die Gewehre anfangen würden zu feuern? Da musste man schon Gedanken lesen können, um das im Voraus zu wissen. Nein, unglaublich dumm war nur, dass ich nicht vorsichtig genug war. Es passierte im zehnten Monat, und man brauchte nur elf Monate zu bleiben. Wenn es »short« wird, bedeutet das, du musst nicht mehr lange bleiben, und je näher die Heimkehr rückt, desto vorsichtiger hat man zu sein. Wenn ich das jetzt nicht richtig erklärt habe, ist es meine Schuld, aber es ist die reine Wahrheit.
Wie ich schon sagte, dieser nette Junge, Orlando Cepeda, der hinter mir stand, als ich pinkelte, wurde erschossen. Eine saubere Kugel. Und nur eine kleine Wunde, was merkwürdig war. Sauber. Klar. Ich dagegen, ich wurde eine Million mal getroffen – große Löcher, schmutzig und alles -, aber vermutlich hatte ich Glück. Tatsächlich bin ich ziemlich sicher, dass man es nur mit Glück erklären kann. Und mit Bill Butler. Aber es war auch Glück, dass er da war. Er warf einen Blick auf Orlando Cepeda und spuckte aus. Dann jagte er mir meine Morphiumration in den linken Arm, Orlandos Morphiumration in den rechten Arm und seine eigene in den Bauch. Ich sah ihm dabei zu. Ich sah mir selbst zu. Ich sah Bethany über dem Sumpf.
»Hook ist hier«, sagte ich sabbernd.
»Wirst du sterben?«, fragte Bill.
»Ich weiß nicht.«
»Okay.«
»Hook ist hier.«
An etwas anderes erinnere ich mich nicht, nur dass Bethany zu den Bäumen hinaufschwebte. Sie hatte einen ihrer Schottenröcke an und sah aus wie eine Sears-Anzeige. Jung und glücklich, den Arm hochgestreckt in einer stummen Pose, so schwebte sie da oben.
Dann war ich in Japan. An mehr erinnere ich mich nicht. Sieben Wochen später wachte ich in Japan auf. Und es war, als sei ich innerhalb einer Minute von Bethany dort oben in den Bäumen in das amerikanische Militärkrankenhaus am Rande von Tokio gekommen. Keine Träume. Ich hatte einen Schlauch zum Atmen und einen zum Pinkeln. Ich erinnerte mich ans Pinkeln. Ich erinnerte mich an Orlando Cepeda.
Ich war böse im Krankenhaus. Ich tat mir ungeheuer Leid, und als ich feststellte, dass ich allen andern auch Leid tat und dass niemand wütend auf mich werden würde, was immer auch passierte, fing ich an, grausame Dinge zu sagen und grausame Dinge zu tun.
Ich sagte:
»Ich finde dieses beschissene Essen zum Kotzen.«
»Ich hab mich voll gepisst, und das ist Ihre Schuld.«
»Für einen Arzt sind Sie ein fetter Sack.«
Ich kippte absichtlich meine Bettpfanne um … zwei Mal. Ich zeigte dem katholischen Kaplan den Finger, einem netten, weißhaarigen Kaplan in Uniform, der das ganz sicher nicht verdient hatte.
Ich war also böse, aber es lenkte mich eine Zeit lang von mir selbst ab. Norma sagt, sie hat mir jeden Tag geschrieben, aber daran erinnere ich mich nicht. Ich bekam ein paar Briefe von ihr, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Natürlich, jetzt wünschte ich, ich hätte sie noch, denn dann könnte ich sie immer und immer wieder lesen, draußen auf den Feldern und so.
Nach weiteren sechs Wochen setzten sie mich in einen Rollstuhl und flogen ungefähr zweihundert von uns ins Fitzsimmons Army Hospital in Denver. Bevor wir zum Flughafen fuhren, schaute ich vor dem Krankenhaus in Tokio aus dem Busfenster und sah den Kaplan. Er trug einen Tarnanzug und hielt seine Bibel in der Hand. Er sah erschöpft aus. Vermutlich ist es im Grunde ein unmöglicher Job. Er sah mich auch. Er zeigte mir den Finger.
33
A m Morgen hörte ich den Regen auf das rote
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