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Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Titel: Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.M. Nightingale
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die Weißen Schwäne verstärkt ... Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können.“
         Joe zitterte nun vor unterschwelliger Wut.
         „Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können? Wie lange bist du schon ein Vampir? Zehn Jahre? Zwanzig? Nun, ich lebe schon seit über vierhundert Jahren und habe in meinem Leben Dinge gesehen, die du dir nicht einmal vorstellen kannst! Lilien sind keine Bereicherung für unsere Art, sondern ein Fluch! Oder lernt ihr auf euren Höfen nichts über die historische Geschichte der ältesten Vampire und ihren Lilien? Bringt man euch stattdessen bei, wie man Jäger und andere Menschen abschlachtet? Der Feind ist nicht der Mensch, der Feind ist in unseren eigenen Reihen! Ihr Strigoi Vii denkt immer noch, ihr könntet über die Menschen  herrschen, dabei liegt die wahre Gefahr in der eigenen Sippe. Ignorante Schlächter seid ihr, nichts weiter! Blind für die Dinge, die in eurer unmittelbaren Nähe geschehen, ausgelöst durch Wesen aus den eigenen Reihen! Zu hochmütig um sich einzugestehen, dass es die Vampire selbst sind, die eine Gefahr darstellen!“
         Der Fahrer antwortete nicht. Er schien eingeschüchtert zu sein und zuckte nervös mit den Mundwinkeln. Eine bedrohliche Aura ging von Joe aus, so stark, dass selbst Michael sie deutlich spüren konnte.
         „Beruhige dich...“, setzte Michael an, doch Joe schnitt ihm mittendrin das Wort ab.
         „Ich beruhige mich nicht! Ich lasse mich doch nicht von einem Grünschnabel belehren, der den ganzen Tag nichts anderes macht als Blut zu saufen und noch nie einen Krieg zwischen Menschen und Vampiren miterlebt hat! Ich war dabei, als die letzten Wellen der Inquisition über die Welt fegten! Ich weiß, wozu Vampire in der Lage sind! Ihre Grausamkeit, ihre Arroganz und die unstillbare Mordlust der Ältesten, die sie fälschlicherweise als Stärke interpretieren! Und stets hatten sie die Lilien an ihrer Seite, die an Gier und Blutdurst von keinem anderen Wesen auf der Welt zu übertreffen sind! Ich weiß, wovon ich spreche, meine Mutter -“
         Er brach mitten im Satz ab und schnappte nach Luft. Er hatte die Beherrschung verloren, viel zu viel erzählt. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er dabei war, gefährliche Geheimnisse über sich auszuplaudern. Wie ein Karpfen öffnete und schloss er den Mund immer wieder, brachte jedoch kein Wort mehr heraus. Michael konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, bloß nichts zu sagen und keinen Muskel zu rühren. Er wusste, wenn irgendjemand auf das eben Gesagte eingehen würde, dann würde Joe auf der Stelle aus der Haut fahren. Es war ein heikler Moment, in dem eine vibrierende, kalte Stimmung in der Luft schwebte, die fast greifbar war. Michaels Augen zuckten zu Joe hinüber, der kalkweiß im Gesicht war und die Zähne zeigte. Doch zum Glück unterbrach Joe selbst die unangenehme Stille, in dem er den Wunsch äußerte, nicht mehr über Lilien zu reden, da er dieses Thema für völlig indiskutabel hielt.
         „Ignoranten!“, zischte er unmissverständlich und verschränkte wütend die Arme.
         Während der Fahrt sprachen sie kein Wort mehr. Keiner wagte es, Joe einen erneuten Gefühlsausbruch zu entlocken. Sie fuhren mit schnellem Tempo durch die Region Languedoc-Roussillon im Süden von Frankreich, die gesäumt war von sattgrünen Wiesen und hohen Bergen, auf denen Kühe und Schafe grasten. Weder Joe noch Michael hatten einen Blick für die überwältigende Landschaft übrig, denn je näher sie dem Département Lozère kamen, desto nervöser und unausgeglichener wurden sie. Sie ließen den Mont Lozère hinter sich und bahnten sich ihren Weg durch ein mächtiges Tal, in dem sich nur ein kleines Dorf befand, vollkommen abgeschnitten von jeglicher Zivilisation. Die Sonne am azurblauen Himmel begann bereits schwächlich zu flackern, als sie hinter den Bergen verschwand und ihr spärliches Licht durch das dunkle Tal fiel. Eine unnatürliche Ruhe schwebte in der Luft und ließ ihre Sinne vibrieren. Michael hatte die Kiefer zusammengepresst.
         Mit einem jähen Zucken verschwand der Wagen vor ihnen in einer kleinen Senke und fuhr eine schottrige Landstraße entlang. Sie mündete in das Tor eines gewaltigen Anwesens, dessen Zinnen und Türme sich gespenstisch in den Himmel reckten. Je weiter sie fuhren, desto erschreckender ragte das Schloss vor ihren Augen auf. Es war groß. Um einiges größer als das verfallene Haus in Rom, wo

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