Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
Daniel vor der großen Lehmtür, aus der ein unangenehmer, kalter Wind zu wehen schien. Seth's Gesicht war nun nicht mehr grün, sondern kalkweiß und seine Augen zeigten deutlichen Widerwillen.
„Da gehen wir rein?“, fragte er nervös. „Ist das denn nötig?“
„Natürlich ist es nötig!“, sagte Daniel aufbrausend. „Jetzt komm mal wieder runter, Seth, das sind doch nicht die ersten Geister, gegen die du kämpfst!“
„Waren aber nie so viele auf einmal“, meinte Seth leise.
Joe schenkte Seth einen mitleidigen Blick, dann drückte er fest gegen die Türe. Sie schwang auf und schürfte dabei laut über den Boden. Seth wirkte immer kleiner und Michael war auch nicht besonders wohl. Dichte Dunkelheit empfing sie und ein eisiger Hauch zischte über sie hinweg, als sie ein paar Schritte weiter gingen. Sie befanden sich nun in einem engen, lang gezogenen Gang, dessen Ende in der Ferne nicht mehr auszumachen war, sondern von bleierner Finsternis verschluckt wurde. Links und rechts, die Wände entlang, reihten sich tiefe Löcher bis unter die Decke in den Stein, aus denen ein modriger, muffiger Gestank strömte. Als sie langsam durch die Katakomben gingen, merkten sie, dass sich alle paar Meter ein weiterer Gang abzweigte und in weiteren Katakomben mündete, so dass nicht ganz klar war, wie viele Gräber es tatsächlich gab. Es mussten weit über zweitausend sein, doch viele der Schächte waren bereits leer und in ihnen befand sich entweder ein gähnendes Nichts oder einige Rückstände von Salz. Die meisten Schächte beinhalteten jedoch in zerfallene Leinen gewickelte Skelette, manchmal auch nur Überreste, die im flackernden Licht der Fackeln bedrohlich und gespenstisch wirkten, als würden sie jeden Moment zum Leben erwachen. Über ihren Köpfen zogen sich lange, staubbedeckte Spinnweben entlang, doch Tiere sah man keine. Es war als wüssten sie, dass hier etwas Böses lauerte.
„Warum sind die Toten hier zu Geistern geworden?“, fragte Seth zittrig. „Das ist doch merkwürdig ... Normalerweise werden Verstorbene nur dann zu Geistern, wenn ihnen zu Lebzeiten Unrecht widerfahren ist, dass nicht gerächt werden konnte, oder wenn etwas anderes sie noch auf der Erde hält. Das kann doch nicht auf alle Leichen hier zutreffen, oder?“
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, meinte Joe. „Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass diese Toten verflucht wurden. In der Ars Goetia gibt es ein Ritual zur Beschwörung von Geistern und Dämonen und Anleitungen, wie man sie sich untertan machen kann. Ich bin sicher, dieses Ritual wurde ausgeführt, um eine Armee von Geistern zu beschwören, deren einzige Aufgabe es ist, Sterbliche daran zu hindern, dieses Siegel in die Finger zu bekommen.“
„Wer kam überhaupt auf die Idee, das Siegel hier zu verstecken?“, fragte Daniel mürrisch und wischte sich Spinnweben von der Kleidung.
„Das war Samael selbst.“, sagte Joe. „Als er zusammen mit den Archai aus den Engelschören verbannt wurde, fertigten die Erzengel den Schlüssel des Salomon, um die Venusgeister im Falle einer Auflehnung bannen zu können. Lange Zeit galt das Siegel als verschollen und der Schwanenorden machte es sich zu einer seiner Aufgaben, danach zu suchen. Als Marius Samael einen festen Körper gab, indem er ihn von seinem Blut hat trinken lassen, gelang es Samael schließlich, das Siegel im Tal der Könige zu bergen und hier zu verstecken. Seitdem verging kein Jahrhundert, ohne dass die Jäger versucht haben, es sich anzueignen. Doch niemandem ist es je gelungen, denn Samael gebrauchte einen uralten, mächtigen Zauber, der das Siegel für jeden unantastbar macht.“
„Ja, er verfluchte es mit den Dämonen der Todsünden“, sagte Daniel. „Wir haben davon gehört. Aber was genau bedeutet das?“
„Es heißt, dass jeder Todsünde ein Dämon zugesprochen wird. Stolz steht für Luzifer, Geiz für den Mammon, Neid für Leviathan, Wollust für Asmodeus, Völlerei für den Beelzebub, Faulheit für Belphegor und Hass, die schlimmste aller Sünden, steht für Satan persönlich. Jeder, der das Siegel berührt, verfällt den Sünden und stirbt.“
„Das wissen wir schon“, sagte Seth ungeduldig. „Aber wie sollen wir es dann benutzen?“
„Die Ars Goetia. Salomon beschreibt dort ein Ritual, das Dämonen in ein Gefäß sperren kann. Das Problem dabei ist, dass
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