Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
streckte die Hände aus und forderte sie auf, ihre Hände in seine zu legen. Sie tat es, wenn auch zögerlich. Seine Hände fühlten sich rau an.
„Um den Körper zu lehren, sich von pranischer Energie zu ernähren, muss er zunächst in eine Extremsituation gebracht werden. Das heißt dein Körper muss „leer“ von jeglicher Energie sein. Deshalb werde ich dir zunächst einen Großteil deines Pranas entziehen.“
Kyra runzelte die Stirn.
„Du willst mir meine Lebensenergie entziehen?“, fragte sie nervös. „Könnte… Schadet mir das vielleicht?“
Michael lächelte. „Nein, du wirst höchstens ohnmächtig. Aber im Ernst, du musst dich völlig auf den Fluss deiner Energie konzentrieren. Erst wenn du es geschafft hast, dein eigenes Prana wahrzunehmen, wirst du in der Lage sein, auch das anderer zu spüren.“
Michael rückte sich in eine bequeme Lage und griff ihre Hände etwas fester.
„Bist du bereit?“, fragte er.
„Nein, eigentlich nicht.“ Kyra war nervös.
Michael seufzte und schloss die Augen. Sie hörte seinen regelmäßigen Atem. Zunächst dachte sie, diese ganze Prozedur sei ein schlechter Witz von ihm gewesen, um sie zu veräppeln, doch dann machte sich ein komisches Gefühl in ihr breit. Sie spürte eine plötzliche Leere, die immer größer wurde, doch sie konnte sie nicht recht einordnen. Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen und öffnete die Lippen, um etwas zu sagen. Mit einem Mal war ihr, als könne sie nicht mehr richtig atmen. Ihr wurde schwindelig und ihre Haut fing an zu brennen. Sie merkte, dass Michael ihre Hände los ließ, doch mehr nahm ihr Verstand nicht mehr wahr.
Im nächsten Moment schlug ihr jemand monoton gegen die Wange.
„Hey, wach auf.“
Sie konnte ihn nur verschwommen sehen. Er wirkte besorgt. Langsam richtete sie sich auf und wäre fast wieder zusammengesackt. Ihr Körper fühlte sich an wie eine leere Hülle. Sie hatte nicht einen Funken Kraft mehr in ihren Gliedern. Michael stützte ihren Rücken und legte ihr den Krug mit Blut an die Lippen.
„Trink“, sagte er. „Dann geht es gleich wieder.“
Sie ließ sich das nicht zweimal sagen und trank das Blut so gierig, als wäre sie fast am Verhungern.
„Wow“, sagte sie schließlich und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Verdammt noch mal, was sollte der Scheiß?“
„Ich hab es dir gesagt“, entgegnete Michael. „Dieser Vorgang entzieht dir sämtliche Energie. Für einen Augenblick warst du ohnmächtig. Ich habe mir schon gedacht, dass das passiert.“
Kyra war beleidigt.
„Und?“, fragte er. „Hast du dein Prana gespürt?“
Kyra schüttelte den Kopf. „Nein. Mir war nur so, als würde ich … ausgesaugt.“
„Vielleicht sollten wir ein andermal weiter...“
„Nein“, unterbrach sie ihn bestimmt. „Mach es nochmal!“
„Bist du dir sicher?“, fragte er.
Kyra schleuderte ihm einen wütenden Blick entgegen und er hielt sofort den Mund.
„Okay, entspann dich“, sagte er und nahm ihre Hände. „Ganz locker.“
Wieder schloss er die Augen und Kyra wartete gespannt. Abermals konnte sie zu Anfang nichts spüren, bis ihre Haut anfing zu prickeln und sie das Gefühl hatte, ein Vampir würde ihr gesamtes Blut aussaugen. Es fing langsam an, steigerte sich jedoch nach einer Weile und raubte ihr den Atem. Sie fühlte sich leer, schwach. Ihre Sicht begann zu verschwimmen und ihre Muskeln wurden schlagartig schlapp. Mit letzter Kraft riss sie ihre Hände aus Michaels Griff und fiel rückwärts auf den Boden. Michael öffnete die Augen und sah sie flach atmend daliegen, entkräftet und mit weit geöffneten Augen. Sofort nahm er den Krug mit Blut, legte einen Arm unter Kyras Rücken und richtete sie auf.
Sie trank gierig wie zuvor, bis der letzte Tropfen in ihrer Kehle verschwand.
„Immerhin bist du diesmal nicht bewusstlos geworden“, meinte Michael.
Als Kyra sich beruhigt hatte und wieder alleine sitzen konnte, machte sie ihrer Wut Luft.
„Das ist doch kompletter Blödsinn!“, rief sie aufgebracht. „Ich habe absolut gar nichts gespürt! Das nervt!“
„Ich hab nicht gesagt, dass es leicht wird“, verteidigte sich Michael. „Im Gegenteil: Hab ich dir nicht gesagt, dass
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