Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Titel: Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.M. Nightingale
Vom Netzwerk:
etwas von dir will?“
         Es war typisch für Joe, eine Gegenfrage zustellen und sich selbst so in eine Angriffsposition zu bringen. Er beherrschte diese Art von Rollenwechsel meisterlich und wusste auch darum.
         „Weshalb würdest du sonst anrufen?“, entgegnete Michael. „Um zu hören, wie es mir geht? Sei bloß nicht albern.“
         „Du warst immer der einzige Freund, auf den ich mich verlassen konnte. Ich halte sehr viel von dir, ich hoffe das weißt du.“
         Michael schnaubte nur.
         „Sag endlich, was du willst, sonst leg ich auf.“
         Es herrschte ein kurzes Schweigen und Kyra tat nun nicht mehr so, als würde sie nicht zuhören. Sie starrte unverhohlen auf das Telefon und hatte das Buch zugeklappt.
         „Ich erwarte heute einen Jäger“, sagte Joe und klang dabei sehr ernst. „Jemanden von den Weißen Schwänen. Amelie hat ihn eingeladen. Sie wird ebenfalls kommen.“
         „Einen Jäger?“
         „Ja. Nur Gott weiß, warum Amelie mir das antut. Ich kann froh sein, wenn mich der Kerl nicht sofort umbringt. Das wird kein schönes Zusammentreffen, glaub mir. Amelie verlangt, dass du erscheinst und das Mädchen mitbringst.“
         Michael schien verwirrt.
         „Zu welchem Zweck?“
         „Ich weiß es nicht. Ich werde ja seit dieser Lappalie mit dem Brandzeichen in nichts mehr eingeweiht.“ Joe klang wütend. „Sie denkt, mich damit zu bestrafen, doch in Wahrheit schneidet sie sich nur ins eigene Fleisch. Wenn ich nicht weiß, was vor sich geht, wird diese Stadt binnen kürzester Zeit vor die Hunde gehen. Sie weiß selbst, dass keiner besser für diesen Job geeignet wäre als ich. Aber sie lässt lieber zu, dass dieses Mädchen uns alle tötet, als einzusehen -“
         „Du langweilst mich“, schnitt Michael ihm das Wort ab. „Mich interessiert es nicht, was du denkst. Du fühlst dich nur in deinem Stolz verletzt, weil du jetzt nicht mehr Kanzler bist. Vielleicht tut dir ein wenig Demut ganz gut, findest du nicht?“
         „Pass auf, was du sagst“, zischte Joe, aber er ließ sich nicht auf einen Streit ein und wechselte gleich wieder das Thema. „Kommt einfach heute Nacht um elf in meine Wohnung. Aber pass auf, dass du deine Waffe zu Hause lässt, wir wollen ja nicht, dass sich irgendjemand bedroht fühlt. Und sag dem Mädchen, das es sich benehmen soll, sonst ist sie schneller tot, als sie schauen kann. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, wenn dieser Jäger sie abmurkst“, fügte er hinzu. „Aber Amelie könnte das nicht so lustig finden und wir wollen keinen erneuten Krieg zwischen Vampiren und den Weißen Schwänen. Das gab vor fünfhundert Jahren schon ein Desaster.“
         „Ich werde es mir merken“, sagte Michael und legte den Hörer auf die Gabel.
         Er seufzte und blickte dann auf Kyra, die ein unwilliges Gesicht machte.
         „Ich vermute, du hast alles mit angehört“, meinte Michael.
         Kyra öffnete wieder die Seiten ihres Buches.
         „Ja, ich bin schließlich nicht taub.“
         „Na, dann weißt du ja, was wir später vorhaben. Wir haben noch etwa zweieinhalb Stunden Zeit, bevor wir los müssen“, sagte Michael und sah dabei auf seine Armbanduhr. „Also sieh zu, dass du rechtzeitig fertig bist. Und wie Joe gesagt hat: Benimm dich. Diese Jäger sind nicht gerade freundliche Menschen und wenn du frech wirst, könnte es durchaus passieren, dass du einen Pflock in der Brust hast.“
         „Ich hab es kapiert“, sagte Kyra.
         Sie war wütend darüber, dass Michael sie wie ein kleines Kind behandelte. Sie zog die Augenbrauen zusammen und versuchte, sich wieder auf den Text zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht. Sie spürte, dass Michael nervös war. Stetig ging er auf und ab ging und kratze sich dabei am Kinn.
         „Du meine Güte!“, rief Kyra schließlich genervt und knallte das Buch auf den Tisch. „Hör auf, das ist ja nicht zum Aushalten!“
         „Halt die Klappe“, meinte Michael nur und winkte ab.
         Er blieb stehen und sah angespannt aus dem Fenster.
         „Du hast ja keine Ahnung, was uns da erwartet.“
     
         Ein paar Tage zuvor regte sich am Gipfel des Monte Prado der gleißende kalte Schnee. Vom Boden heraus durch die dichten Eiskristalle grub sich eine blasse, von bläulichen Adern durchzogene Hand und reckte sich dem mit goldenen Schleiern

Weitere Kostenlose Bücher