Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

egal, wie ähnlich ihr Schicksal ist! Sie ist  nicht  Samara! Du kannst nicht vorhersehen, was aus ihr wird. Mir ist auch nicht wohl bei dieser Sache, doch ich denke, um wen wir uns wirklich sorgen sollten, sind Marius und Samael, nicht Kyra.“
         „Red nicht so einen Stuss, Seth! Sie ist erst seit ein paar Monaten verwandelt! Was glaubst du wird aus ihr, wenn daraus mehrere Jahre werden? Mehrere Jahrhunderte? Sieh dir doch an, was aus Jonathan geworden ist! Er war einer von uns, bis Amelie sich ihn geholt hat! Jonathan war der beste Jäger, den unser Orden je hatte und nun ist er einer der skrupellosesten und korruptesten Vampire auf diesem Planeten! Er bringt sogar seine eigene Art um! Und so werden sie alle, wenn sie erst einmal ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel haben! Dieses unnatürlich lange Leben, die Gewissheit, dass andere Lebewesen sterben müssen, nur damit sie überleben können – es macht sie krank, Seth. Sie werden zu Psychopathen. Kaum ein Vampir hat genug Ausdauer für die Ewigkeit, irgendwann drehen sie alle durch!“
         Kyras Unterlippe begann merklich zu zittern. Das erklärte Joes nahezu unerschöpfliches Wissen. Die Rose der Knechtschaft und der Grabesstaub vor der Türe ... Er wusste das alles, weil er früher ein Jäger gewesen war. Und er konnte so viele Vampire töten, weil das einst sein Job gewesen war. Jetzt ergaben einige Ungereimtheiten natürlich Sinn. Aber was meinte Daniel damit, dass Vampire nicht genug Ausdauer besäßen? Dass sie alle irgendwann krank werden würden?
         „Du hast Vorurteile. Und ich kann auch verstehen warum, aber bitte mach nicht den Fehler und bestrafe andere für Dinge, die längst Vergangenheit sind. Sie ist schon genug bestraft worden, findest du nicht? Ich habe eigentlich erwartet, dass du mehr Verständnis für sie aufbringen würdest. Daniel siehst du denn nicht, was das für eine einmalige Chance ist?  Kyra ist dem Hohen rat so wichtig und  wir  haben sie! Wir sollten uns mit ihr anfreunden.“
         Kyra hörte Daniel tief Luft holen, um zum Gegenschlag auszuholen, doch in diesem Moment ertönte ein monotones Piepen.
         „Das ist deins“, sagte Seth.
         Kyra hörte das Piepen kurz lauter werden, dann sagte Daniel barsch: „Ja?“
         Offenbar hatte sein Handy geklingelt. Kyra presste sich nun ganz nah an die Wand, um auch jedes Wort mitzuhören. Vom anderen Ende der Leitung sprach eine vertraute Stimme.
         „Daniel?“
         Es war David.
         „Ja, was ist denn?“
         „Das Ordenshaus ist zerstört worden!“
         Eine dröhnende Stille trat ein.
         „Was?“, fragte Daniel.
         „Mach mal den Lautsprecher an, ich will mithören!“, warf Seth unwirsch ein.
         Ein weiteres Piepen ertönte und nun konnte Kyra alles ganz deutlich hören.
         „Ich sagte, das Ordenshaus wurde zerstört!“, rief David aufgebracht. „Ich hatte einen Auftrag bekommen und bin gerade eben wieder in Phoenix angekommen. Das ganze Gebäude ist abgebrannt! Keine Spur von den anderen, alles liegt in Schutt und Asche!“
         „Warte, Moment mal...“, sagte Daniel zittrig. „Hat jemand ein Feuer gelegt?“
         „Die Polizei behauptet, es wäre eine Gasexplosion gewesen, aber das glaube ich nicht!“
         „Was ist mit den Jägern?“, fragte Seth nervös. „Mit Alexander? Leben sie noch?“
         Am anderen Ende der Leitung rauschte es.
         „Nein“, sagte David haltlos. „Sie sind tot. Sie sind alle tot.“
         Kyra zitterte bereits am ganzen Körper. Im Nebenzimmer herrschte fassungsloses Schweigen.
         „Das kann nicht sein!“, rief Daniel zornig. „Was erzählst du da?“
         „Woher weißt du, dass sie tot sind?“, fragte Seth. „Sie könnten geflohen sein, sie könnten...“
         „Wer hat das getan? Was zum Teufel ist passiert?“
         „Ich bin mir sicher, dass es keine Menschen waren“, sagte David mit bebender Stimme. „Alles ist zu feiner Asche zerfallen! Ist dir bewusst, dass es nur wenige Kreaturen gibt, die ein so starkes Feuer erzeugen können, dass nichts als Asche zurückbleibt? So etwas können nur -“
         „Vampire“, zischte Daniel bedrohlich.
         „Genau! Offenbar ist das Feuer gestern Nacht gegen drei Uhr ausgebrochen...“
         „Das war kurz nachdem wir gefahren sind“, sagte Seth leise. „Wie ist das nur