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Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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im Vergleich zu dem, was Karen widerfahren war. Manchmal allerdings empfand sie fast so etwas wie Neid gegenüber Karen, die in diesem hohen Krankenhausbett schlief.
    Der Tod von Vaughn Masterson wurde in der Zeitung als Unfall dargestellt. In dem Artikel stand, dass die Waffe einen Monat zuvor aus der Wohnung des pensionierten Polizei-Sergeanten Louis Kendrick gestohlen worden war. Die Polizei hielt sich an das Prinzip, im Zweifelsfall für den Angeklagten zu entscheiden, zumal es sich in diesem Fall ja um das Opfer handelte. Zu seinen Gunsten wurde davon ausgegangen, dass der Junge die Waffe vermutlich gefunden hatte, nachdem der Dieb sie entweder verloren oder weggeworfen hatte. Offensichtlich hatte Vaughn Masterson die Waffe mit nach Hause genommen und sie irgendwo im Haus oder der Garage versteckt. An jenem verhängnisvollen Tag hatte er sie dann hervorgeholt, um mit ihr zu spielen, ohne zu wissen, dass sie geladen war. Als der Schuss sich löste, war der Junge auf der Stelle tot. Die Zeitung machte aus der Geschichte keine große Sensation. Das Foto des Jungen – vom Schulfotografen ein Jahr zuvor aufgenommen – wurde abgebildet, aber es gab keine näheren Einzelheiten zu dem tödlichen Schuss.
    Der Rächer las den Artikel begierig, mit freudig pochendem Herzen. Seine Augen glänzten, und sein Kopf war so heiß, als hätte er Fieber. Aber ein schönes Fieber. Er betrachtete Vaughns Gesicht auf dem Foto, seine säuberlich gekämmten Haare, das breite Lächeln, das kleine, spitze Zähne sehen ließ.
    Obwohl er beim Lesen eine ungeheure Befriedigung empfand, machte er nicht den Fehler, den Artikel aus der Zeitung auszuschneiden, um ihn als Erinnerungsstück aufzuheben. Er hatte einen Film gesehen, in dem ein Täter überführt wurde, als man Jahre danach auf seinem Dachboden einen vergilbten Zeitungsausschnitt über den Mord fand.
    Die gesamte fünfte Klasse nahm am Begräbnisgottesdienst der Freikirche teil. Der Rächer staunte darüber, was für Heuchler seine Klassenkameraden waren, vor allem die Mädchen, die weinten und schnieften und sich die Nase putzten. Sogar die Jungen – allen voran Danny Davis – schauten traurig drein. Der Rächer legte sein Gesicht in bekümmerte Falten, bemühte sich um einen Ausdruck, den er für betrübt hielt. Das widerstrebte ihm zwar, aber er wusste, dass er es sich nicht leisten konnte, in der Menge aufzufallen. Er durfte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    Kurz bevor der Sarg hereingeschoben wurde, gingen Vaughns Eltern durch den Mittelgang nach vorn. Im Rächer regte sich so etwas wie Anteilnahme. Er stellte sich seine eigene Mutter in der Kirche vor, wenn er gestorben wäre. In gewisser Weise hatte der Rächer Mitleid mit den Eltern. Sie setzten sich in eine Bank, und Mr Mastersons Hand zitterte, als er den Arm um die Schultern seiner Frau legte. Es konnte gut sein, dass sie keine Ahnung hatten, wie grässlich ihr Sohn gewesen war. Da war es kein Wunder, dass sie so traurig waren. Dem Rächer wurde klar, dass er ihnen einen Gefallen getan hatte: Er hatte ihren Sohn getötet, bevor er herangewachsen war und Schande über sie bringen konnte. Der Rächer war überzeugt davon, dass aus Vaughn Masterson ein schlechter Mensch geworden wäre.
    Der Pfarrer begann zu sprechen. Wie ein Lehrer in der Schule, leise und langsam, als wollte er am Ende der Predigt eine Klassenarbeit schreiben lassen. Er sprach von Ewigkeit und Gottes Güte und von einem Leben in der Herrlichkeit des Herrn. Er sprach davon, wie tragisch ein so früher Tod war, doch welche Gnade darin lag, mit unbefleckter Seele zu seinem Schöpfer einzugehen.
    Der Rächer hörte kaum hin, hielt den Blick auf das schimmernde Holz von Vaughns Sarg geheftet. Wir wollen dankbar sein für die Zeit, sagte der Pfarrer, die Vaughn mit uns auf Erden verbracht hat. Auch der Rächer war dankbar für Vaughn Masterson. Er hatte dem Rächer gezeigt, wie leicht es war, jemanden zu beseitigen, der nicht zu leben verdiente. Leichter als im Fernsehen, wo der Mörder immer geschnappt wurde, bevor wieder Werbung kam. Wieso war es so leicht? Mit gefurchter Stirn suchte der Rächer nach einer Antwort, während der Pfarrer eintönig weitersprach. Warum hatte die Polizei ihn nicht geschnappt? Zwei Polizisten waren in die Schule gekommen und hatten mit allen gesprochen. Hatten Fragen gestellt. War Vaughn in letzter Zeit irgendwie anders gewesen? Hatte ihn jemand mit einer Schusswaffe gesehen?
    Als der Rächer an die Reihe gekommen war,

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