Unheimliche Begegnungen (German Edition)
„Hallo Jüngling, wollen wir uns denn nicht melden? Oder willst du dich drücken? Hörst du nicht die Glocken?“
Natürlich verstand Vinc nicht, was diese Sätze bedeuteten. Er drehte sich um und sah in das Gesicht eines Kriegers.
„Ich wollte mich nicht drücken“, stammelte er verlegen.
„Soso. Und das soll ich dir glauben? Burschen in deinem Alter haben sich sofort bei dem Stadtkommandanten zu melden!“, sagte der Mann schroff. Er verfinsterte seine ohnehin grimmige Miene und mahnte: „Du weißt, was für Strafe darauf steht, wenn man sich bei einem Notstand vor seinen Pflichten drückt?“
Da Vinc ein kluger Junge war und sehr schnell kombinieren konnte, nickte er zur Bestätigung. Ihm fiel auch spontan eine Ausrede ein: „Ich musste dringend. Deshalb bin ich in den Busch gegangen. Ist das erste Mal, dass ich einen Notstand mitmache.“
„Das glaube ich dir sogar. Bist ja noch ziemlich jung. Aber es hilft nichts. Wenn die Glocken des Doms läuten, herrscht die allerhöchste Alarmstufe. Jeder, der sich in Madison aufhält, hat zu den Waffen zu eilen.“ Sein Gesicht erhellte sich etwas, als er sagte: „Babys und Greise ausgeschlossen.“ Er lachte über seine Bemerkung.
Vinc gab auch einen kurzen, wenn auch gezwungenen Lachlaut von sich. Es bewirkte, dass das Gesicht des Kriegers freundlicher wurde. „Du gefällst mir, Kleiner. Ich werde mit dir zum Kommandanten gehen, damit dir unterwegs nichts passiert. Vielleicht gibt er dich in meine Einheit. Ich war sowieso auf dem Weg dorthin, um meine Männer zu empfangen.“
Das hatte Vinc gerade noch gefehlt. Wie sollte er zum Versteck seiner Freunde gelangen, wenn ihn dieser Soldat begleitete? Aber es half nichts, er musste sich zunächst dem Schicksal fügen.
Unterwegs fragte er nach dem Grund des Alarms. Der große Mann gab ihm bereitwillig Auskunft.
„Die Arlts haben unsere Stadt umringt. Es sind Hunderte, die draußen lagern. Einige Vorposten, die die Beobachtungsmulden belegten, konnten noch fliehen, aber die Vorhut der Arlts hatte die übrigen entweder getötet oder gefangen genommen. So genau wissen wir es nicht.“
Nun wusste Vinc, was es mit diesen Vertiefungen auf sich hatte. Sie waren dafür gedacht, wenn sich Feinde der Stadt näherten, sie aufzuhalten, bevor die massiven Tore geschlossen werden konnten. Aber was geschah mit diesen Soldaten, die versuchten, die Feinde aufzuhalten? Sie waren doch verloren. Vinc erkannte die Brutalität des Tyrannen. Um sich und die Stadt zu schützen, opferte er sie. Sie waren sozusagen Kanonenfutter.
Trotz der misslichen Lage, in der er sich befand, fiel ihm doch ein Stein vom Herzen. Dieser Alarm galt nicht Zubla und der Befreiung Vanessas, sondern den Arlts.
Der bittere Beigeschmack bei seinen erleichternden Überlegungen aber blieb, denn wo waren zu diesem Zeitpunkt der Kleine und Vanessa?
Vinc kam nicht zu weiterem Nachdenken, denn sie waren an einem mit spitzen Pfählen eingezäunten Grundstück angekommen. Der Soldat zeigte etwas der Wache, die am Eingang stand, dann erklärte er die Anwesenheit von Vinc. Der Wachhabende musterte ihn skeptisch und schaute auf seinen Hals. „Der ist nicht von Madison. Er hat kein Mal am Hals“, sagte die Wache schroff.
Der Soldat, der Vinc begleitet hatte, schaute ebenfalls nach: „Stimmt. Du bist nicht von hier. Wo sind deine Papiere, die den Aufenthalt in unserer Stadt genehmigen?“
Vinc brachte dies in eine arge Verlegenheit. Aber seine sprichwörtliche Schlagfertigkeit erfand sofort eine Ausrede: „Habe ich wohl verloren. Vor lauter Aufregung muss ich den Beutel im Busch liegengelassen haben, als ich Austreten war.“
„Nun gut, ich glaube dir auch diesmal, obwohl du auch ein Spion der Arlts sein könntest“, sagte der Begleiter.
Vinc versuchte seine Worte lächelnd hervorzubringen, aber die Furcht ließ sie kläglich klingen: „Sehe ich aus wie ein Arlt?“
Der Wachhabende und auch der Soldat mussten über die Bemerkung lachen.
„Selbst, wenn man den hübschesten Arlt mit dir vergleichen würde, könnte er nie in einen Wettbewerb mit dir treten. Wie gesagt, du gefällst mir, ebenso deine Dreistigkeit. Aber wir haben keine Zeit, deine Herkunft zu klären und ebenfalls können wir nicht deinen Beutel holen. Ich nehme an, der Schreck vor mir hat dich ihn vergessen lassen. Aber eines kannst du gewiss sein. Ich werde dafür sorgen, dass du in meine Einheit kommst und da werde ich so auf dich aufpassen, als wärst du mein Augapfel. Ich werde dich
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