Unheimliche Begegnungen (German Edition)
bereits auf Arganon verbreitet wurde.
Er nahm ehrfürchtig den Degen und den Leibriemen. Behutsam legte er den Gürtel um seine Hüften und steckte den Degen in den vorgesehenen Schaft. Er spürte, wie eine sagenhafte Kraft durch seinen Körper ging.
Gerason sprach weiter: „Dieser Degen wird dich immer schützen. Du brauchst niemals zu üben, denn er macht dich auch ohne Erfahrung zum Meister der Fechtkunst. Aber merke dir eines sehr gut: Er nennt sich Degen der Wahrheit, weil sie in seiner Nähe immer gesprochen werden muss. Selbst du, der Herr dieser Waffe, musst sie sagen. Lügst du, dann richtet sich dieser Degen auch gegen dich. Du wirst unweigerlich getötet. Also erwäge immer, was du sprichst. Und glaube mir, es ist oft nicht leicht, die Wahrheit zu sagen. Noch etwas präge dir ein.“ Gerason machte eine Pause, bevor er jedes Wort betonend sagte: „Du darfst niemandem von den Eigenschaften der Dinge erzählen, noch dass
ich sie dir gegeben habe. Würdest du es tun, dann verschwinden sie von deinem Körper und du würdest nackend dastehen.“ Gerason lachte, als er dies sagte.
Barlason schloss sich der Heiterkeit des Zwerges an. Er grölte, dass es in der Halle dröhnend wiedergegeben wurde und in den Ohren von Vinc weh tat. Als er sich beruhigt hatte, sagte er: „Stell dir vor, um dich wären lauter Weiber und du stehst nackt da. Hahaha!“ Wieder verfiel er in einen kleinen Lachkrampf. Er sah nicht die Schamröte in Vinc Gesicht. Als er wieder ernst wurde, trat er vor Vinc und legte seine schweren Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen. Seine Stimme klang sanft und hatte einen feierlichen Ton, als er sagte: „Dein Lebensweg wird ab jetzt einen neuen Verlauf nehmen. Deine Zukunft wird dich zu einem Mann machen, auch wenn du noch jung an Jahren bist.“
Vinc ahnte, dass es wirklich ein besonderer Tag werden sollte. Allerdings wollte er nicht einen, an dem er jemanden töten müsste. Jedoch wer war der Hüne, der vor ihm stand und in ihm in die Augen sah? Wieso glänzten sie, als würde sich Augenwasser zu Tränen sammeln? Dass es ein besonderer Mann war, konnte Vinc nur vermuten. Aber welche Rolle spielte er?
Er kam nicht weiter zum Nachdenken, denn Barlason sprach mit Rührung in der Stimme: „Nach deinem Kampf wirst du geweiht. Du wirst einen neuen Namen bekommen. Ein Priester der Ykliten wird im Dom von Madison diese Zeremonie ausführen.“ Er räusperte sich mehrmals, als er weiter sprach: „Falls du diesen Kampf überlebst.“
„Das geht nicht“, wendete Gerason ein. Er gab weiter zu bedenken: „Wenn ein Yklitenpriester ihn weiht und er einen neuen Namen bekommt, dann wird er ein Bewohner von Arganon.“
„Oh, das habe ich nicht bedacht“, meinte Barlason. „Wenn du ein Arganier wirst, dann ist deine Mission gescheitert, bevor sie angefangen hat. Was aber wird aus dem Kampf? Wir müssen dich sofort nach der Prüfung weihen lassen, wie es die Regel vorschreibt oder es war alles umsonst.“
Vinc fiel ein Stein vom Herzen, als er dies vernahm. Es würde kein Kampf stattfinden, wenigstens nicht zu diesem Zeitpunkt.
„Aber die Prüfung muss stattfinden. Er muss beweisen, dass er kämpfen kann. Und ich will wissen, ob Ashak lügt“, sagte Barlason.
„Dann nimm du doch die Prüfung ab. Kämpfe du zum Schein mit deinem Schützling. An der Handhabung des Degens kannst du erkennen, ob er die Technik des Kampfes beherrscht“, schlug Gerason vor.
Vinc beobachtete Barlason genau. Jedoch seine Miene verriet keine Regung. War er der Verräter, so vermutete Vinc, würde er versuchen, mit aller Macht diesen Kampf zu verhindern, denn, so folgerte er weiter, wenn er die Unwahrheit während der Prüfung sagte, könnte der Degen sich gegen Barlason richten.
Aber Barlason war um eine Ausrede nicht verlegen, denn er sagte sofort: „Es braucht keine Prüfung. Du selbst sagtest, dieser Degen macht ihn zum Meister, ohne dass er üben müsse.“
„Allerdings“, Gerason wiederholte noch einmal das Wort, um dann fast entmutigt zu sagen: „Allerdings müssen auch die Dinge geweiht werden, die ich ihm gegeben habe.“
„Und wenn nicht, was geschieht dann?“, fragte Barlason ungeduldig.
„Dann werden sie wertlos. Sie verlieren ihre Eigenschaften“, sagte Gerason.
„Du sagst, sie verlieren ihre Eigenschaften. Sie haben sie also schon?“, wollte Barlason wissen.
„Sie haben sie. Sie bleiben nach der Schaffung einige Zeit. Aber auch die Schöpfer können nicht sagen, wann sie
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