Unheimliche Begegnungen (German Edition)
zuflog. Er kam aus einem der Herzen, die oft als Symbol der Liebe dargestellt wurden, wenn Amor seine Pfeile abgeschossen hatte.
Vanessa wusste, sie konnte ihn nicht mehr warnen. Sie war im Augenblick dicht hinter ihm. Sie ahnte, dass dieser Pfeil den Tod für ihren Schatz bringen würde. Nur sie konnte dieses Geschoss sehen. In Bruchteil von Sekunden gab sie Vinc einen Stoß. Nicht auf so eine Attacke gefasst, stolperte und fiel hin. Im selben Augenblick traf der Pfeil Vanessas Herz. Doch sie spürte kein Eindringen und keinen Schmerz.
„Damit hast du den Beweis deiner unendlichen Liebe zu deinem Freund erbracht. Ich spreche mit dir in Gedanken. Er kann mich nicht hören. Du hast lieber für ihn sterben wollen. Aber wird er auch dir seine Liebe beweisen?“, hörte Vanessa Varus sagen. „Niemand kann uns hören. Ich spreche weiterhin im Geist mit dir. Gehe dahin, wo dein Freund gefallen ist und rede mit ihm. Sag ihm aber nichts von dem Pfeil, denn, dann wird er in den Abgrund stürzen“, meinte sie weiter Varus zu hören.
Sie tat, was ihr aufgetragen wurde und da sah sie Vinc kurz vor einem Abgrund liegen, denn der Pfad machte einen Bogen.
Tom stand hinter ihr und sagte stammelnd vor Schreck: „Wolltest du ihn umbringen? Ich habe ganz deutlich gesehen, wie du ihn mit Absicht gestoßen hast. Was ist nur in dich gefahren?“
Vinc stand auf. Ihm zitterten die Beine. Er sah Vanessa entsetzt an und sagte: „Du wolltest mich töten? Bedeute ich dir denn gar nichts?“
Vanessa wusste, dass sie ihm es nicht erklären durfte. Aber wie konnte sie ihn überzeugen, dass er vorher in Lebensgefahr war?
Er bemerkte ihre Verlegenheit und tröstete sie: „Ich brauche keine Erklärung von dir. Ich würde deine Liebe nicht verdienen, wenn ich dir nicht blindlings trauen würde.“
Auf einmal dröhnte eine laute Stimme in der Höhle: „Varus, Vitis, zurück in den Seelenturm! Befolgt meine Anweisung! Gleich werde ich das Licht der Verdammnis leuchten lassen. Ich zähle bis drei, dann müsst ihr verschwunden sein!“
„Das Licht der Verdammnis. Wir sind verloren“, hörten sie Vitis sagen.
„Schnell weg von hier!“, rief Varus.
Nachdem der Unbekannte bis drei gezählt hatte, wurde die Höhle durch ein schwaches rotes Licht erhellt.
Vinc, Vanessa und Tom sahen keinen Pfad, sondern nur eine breite Bodenfläche. Vor ihnen stand eine seltsame, aber auch furchterregende Gestalt. Über die Knochen des Schädels schien nur etwas Haut gespannt zu sein. Es sah aus, als sei ein Skelett auferstanden. Denn auch die Beine bestanden fast nur aus Knochen. Die Arme waren nicht fleischig, ebenfalls nur mit Haut überspannt. In der knochigen Hand hielt er einen Stab, der die zwei Meter Länge seiner Statur noch überragte. Auf dem oberen Ende befand sich eine runde Uhr mit einem Zeiger. Die Ziffern waren nicht gleichmäßig von eins bis zwölf zu sehen, wie bei einer gewöhnlichen Uhr, sondern sie leuchteten abwechselnd in unbestimmter Reihenfolge auf. Sie trug ein schwarzes Gewand, das bis auf die Knie fiel und oben mit einer Kapuze versehen war, die die Stirn halb verdeckte. Die Augen saßen tief in den Höhlen und funkelten wie Rubine.
„Ich bitte für diese armen Seelen um Verzeihung“, sagte die Gestalt mit einer sanften Stimme, die man ihr nicht zugetraut hätte. „Sie sind Gefangene im Seelenturm. Ab und zu aber gelingt es den dort befindlichen Seelen, zu entweichen und Unsinn zu treiben. Ach ja, ich bin der Wächter des Turms. Ados ist mein Name. Ich helfe den Seelen, ihren Frieden zu finden. Wir haben durch die Säuberung Arganons von den Zauberern und Magiers viele Seelen ihrer Kinder bekommen. Sie waren Opfer des mordenden Tyrannen.“
Vanessa fand Vertrauen in diese Gestalt, obwohl ihr Anblick sie etwas ekelte. Sie fragte: „Warum spielten sie mit unserem Leben?“
„Das waren die Kinder eines Illusionisten. Sie gaukelten euch etwas vor. Diese Kinder im Seelenturm finden keinen Frieden, weil sie ermordet wurden. Nur wenn sie wissen, wer sie getötet hat, werden ihre Seelen auf dem Friedhof des Universums ihre Ruhe finden.“
„Also gibt es ihn? Und auch das Tor zum Universum?“, fragte Vinc
„Ja. Ihr befindet euch unter dem Friedhof. Doch ihr gehört nicht hierher. Ihr müsst zurück. Wenn das Tor sich wieder öffnet, seid ihr verloren.“
„Wann ist es soweit?“, wollte diesmal Tom wissen.
„Niemand weiß es. Jeden Moment oder weit in der Zukunft“, antwortete Ados.
Vinc interessierte etwas
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