Unheimliche Begegnungen (German Edition)
abgehackt.
Der Wirt trat näher an das Mädchen, das zusammenzuckte und weiter auf dem Stroh nach hinten wich. Er grinste über sein hässliches vernarbtes Gesicht und sagte, indem er sich zu einem Lächeln zwang, wobei seine braunen schon ins schwarz übergehende Zähnen sichtbar wurden:
„Du bekommst von mir die schönste Kammer, in die du dich zum Ruhen niederlegen kannst. Ich gebe dir ein paar Tage frei.“
Vinc meinte, einen arglistigen Hinterton zu hören. Die Freundlichkeit gegenüber der Zeugin eines Diebstahls war zwar verständlich, aber warum sollte er einen Finger opfern, wenn er sie unbeobachtet und leise verschwinden lassen könnte.
„Ich werde eilen und die Zimmer herrichten lassen“, sagte er und drängte mit den inzwischen aufgestandenen Bediensteten hinaus. Ihm war es sowieso nicht wohl, noch weiterhin in Zublas Nähe zu sein.
„Was wirst du in deinen Tagen der Freizeit machen?“, fragte Vinc das Mädchen.
„Zu meinen Verwandten in der Nähe gehen. Ich darf sie nur alle drei Monate besuchen.“
„Ich fürchte, du wirst sie niemals erreichen. Er wird dir auflauern und dich töten. Du hast ihn des Diebstahls bezichtigt. Das ist zu gefährlich für ihn. Wenn du bei deinen Verwandten nicht ankommst, denkt man Räuber hätten dich überfallen. Es ist besser, du suchst dir eine andere Arbeit“, riet ihr Vinc.
„Wer einmal einen Herrn dient, ist sein leibeigen. Er hatte mich abgekauft“, über ihre Lippen kam ein Seufzer des schweren Herzens.
„Wir werden einen Weg finden. Nun aber komm! Wir werden uns ordentlich Essen und Trinken geben lassen und uns richtig den Bauch vollhauen“, sagte Vinc und zwinkerte dem Mädchen Mut machend zu.
Sie gingen in die Gaststube. Anfangs war es dem Wirt nicht recht, dass das Mädchen bei den beiden saß, aber wenn er Zubla ansah, bediente er auch die Ungebetene höflich.
Seine Frau putzte eifrig die Essenutensilien. Diesmal benutzte sie einen sauberen Lappen dazu.
Sie waren mit Speisen und Getränken beschäftigt, wobei der Wirt das Beste auftischte, was er hatte.
Ein kleiner, spindeldürrer Mann, der einen spitzen Hut auf dem Kopf und ebenso spitze Schuhe an den Füßen trug, kann herein. Gekleidet war er in eine scharlachrote Hose und Weste und einem Plüschhemd mit kurzen Ärmeln. Dieses Oberkleid war sehr zerrissen und die Hose und Weste hatten keine Knöpfe mehr, sie wurden von einer einfachen Schnur festgehalten.
„Da ist er“, sagte der Wirt, auf Vinc zeigend.
„Also du bist ein Mörder?“, wandte sich der Mann an ihn.
Warum hatte der Wirt Zubla belogen und gesagt, er habe sich es anders überlegt und keine Soldaten geholt, stattdessen aber kam scheinbar ein Oberster, wenn er auch nicht den Eindruck eines solchen vermittelte, überlegte Vinc.
„Nein“, antwortete er auf seine Frage.
„Dieser sagte es aber doch!“
„Wäre ich ein Mörder, so müsste ich jemand ermordet haben!“
„Du hast morden wollen und das ist genug. Ich werde ein strenges Verhör anstellen und dich dann zum Tod durch den Strang verurteilen.“
Er hatte sich an den Tisch zu den Dreien gesetzt und fummelte aus seiner Westentasche, die sehr groß schien, eine kleine Pfeife hervor. Er deute dem Wirt, er möge sie ihm anzünden. Sie musste er bereits gestopft haben. Der Wirt eilte beflissen herbei und tat wie ihm geheißen.
Der Mann zog genüsslich an dem Rauchutensil und paffte dann den Rauch in die Höhe.
„Zu einer Pfeife gehört ein guter Trunk“, sagte der Wirt und schob in einen Topf mit Branntwein hin. „Trink!“
Er nahm den Topf, sah hinein, roch daran und trank. Zum Wirt sagte er anschließend, indem er genüsslich mit der Zunge über die Lippen fuhr und schmatzte: „Mach ihn voll. Wir alle trinken dann.“
Der Topf wurde gefüllt und ging von Mund zu Mund.
Als die Reihe an Vinc kommen sollte, meinte der Oberste:
„Dieser ist der Verbrecher, er bekommt nichts!“
Das war Vinc lieb, denn in seinen jungen Jahren war Alkohol Gift. Obgleich er den Leibeigenen anmerkte, die sich in den Gastraum gesellt hatten, um dem Schauspiel beizuwohnen, das in der Tristheit etwas Abwechslung brachte, ihm einen Schluck gegönnt hätten. Was auch eigenartig erschien, war, dass sie als Leibeigene aus demselben Topf trinken durften wie ihr Herr und die Obrigkeit auch. Überhaupt war die Dienerschaft mehr auf Vinc Seite. Es musste sie wohl imponieren, dass so ein junger Kerl der Obrigkeit trotzte.
„Du hast auf diesen Mann geschossen?“, fragte der
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