Unheimliche Begegnungen (German Edition)
den Finder dieses Behältnisses. Vinc las, aber nur für sich: „Diese Schrift ist dir erschienen, da du der bist, der aufrichtig diesen Inhalt an sich genommen hat. Ein Notizbuch in unbekannten Lettern. Es wird den Dieb überführen und seiner gerechten Strafe zuführen. Eine Karte, die dich führen wird, vertraue ihr, auch wenn es manchmal verwirrend zu sein scheint. Ein wertvolles Goldstück setze es Weise ein, es wird jemanden Glück bringen. Die Schrift in deinen Händen wird jetzt erlöschen.“
„Was liest du so lange?“, fragte der Oberste.
„Ist weiter nichts“, sagte Vinc schnell und legte das Blatt zurück.
Damit aber war die Neugier des Mannes nicht befriedigt. Er wollte den Zettel sehen. Vinc zeigte ihn, um Ruhe zu haben.
„Du starrst solange auf ein leeres Papier?“, frage der Mann misstrauisch.
„Ich weiß auch nicht warum. Ich war nur in Gedanken.“
Das Goldstück war wohl für den Wirt die Veranlassung gewesen, das sonst für ihn und auch andere Kästchen zurückzubehalten.
„Nun dann werde ich dich verhören“, sagte der Oberste zu dem Wirt.
„Überlasse das mir!“, forderte Vinc, was ihm auch eingeräumt wurde.
„Woher hast du diese Schatulle?“, fragte Vinc den Wirt.
„Sie gehört mir“, antwortete er.
„Und das Notizbuch?“, fragte Vinc.
„Auch das gehört mir. Ich habe es selbst geschrieben.“
Vinc reichte es ihm im Gedächtnis noch das Gelesene, dass es den Dieb überführen würde.
„Welche Sprache ist das denn?“
„Das ist …Das ist …Das ist …“, stammelte er.
„Aragonisch, nicht wahr?“
„Ja.“
„Hier ließ mir einmal vor, was auf dieser Seite steht!“
Er befand sich in größter Verlegenheit.
„Oh du kannst nicht lesen? Es ist nicht aragonisch, sondern in einer unbekannten Schrift. Dieses Notizbuch gehört einen Mann, der sich Kratoson nennt. Er war Gast bei dir. Er will wiederkommen. Ich werde es ihm zurückgeben.“
Nachdem Vinc den Wirt überführt hatte, übernahm der Oberste wieder.
„Du hast eine Strafe verdient, doch soll es auf dich darauf ankommen, ob ich Gnade walten lasse. Gestehst du, dass du dieses Kästchen unerlaubt an dich genommen hast, dann erlasse ich deine Strafe. Also rede jetzt! Gehört es wirklich dir?“
Es fiel ihm schwer, aber Vinc hatte großen Eindruck auf ihn gemacht, dass er als Jüngling so weise sprach. Er hielt ihn für einen Auserkorenen und Angehörigen eines Adelsgeschlechts, den er zu fürchten hatte. Darum stieß er endlich zögernd hervor:
„Nein, sie gehört dem Fremden.“
Vinc wollte wissen: „Weißt du, wohin er gereist ist?“
Er verneinte.
Den Obersten fragte Vinc: „Darf ich das Urteil verkünden?“
Er bekam die Erlaubnis:
„Jeder der Anwesenden bekommt einen gut gefüllten Topf Branntwein oder du wirst in den Turm geworfen. Außerdem erkennst du die Leibeigenschaft deiner Diener ab und sie werden Bedienstete mit allen Rechten bei dir!“
Der Wirt willigte zähneknirschend ein.
Bevor sich der Oberste verabschiedete, sagte er noch:
„Herr, deine Güte ist groß, deine Weisheit aber noch viel größer! Du bestrafst ihn, indem du uns Wohltat erweist. Dein Andenken wird bei uns nie vergessen werden! Du wirst ein großer Mann werden. So jung an Jahren, aber Weise wie ein hundertjähriger. Du bist nicht von dieser Welt. Dich müssen die Götter zu uns geschickt haben.“
Vinc erschrak zunächst, als der Mann, sprach, er sei nicht von dieser Welt. Aber als er von den Göttern hörte, beruhigte er sich wieder. Sollten doch die Anwesenden glauben er sei etwas Besonderes und nicht ein Junge von der Erde, der sich einer gehobenen Sprache befleißigte.
Er wollte sich an das misshandelte Mädchen wenden, doch sie saß nicht mehr am Tisch. Er fragte Zubla nach ihr, doch auch er vermisste sie erst jetzt. Die Spannung des Geschehens hatte sie abgelenkt.
Trotz intensiver Suche blieb sie unauffindbar.
18.Kapitel
Inzwischen war es Nacht geworden und Nebel zogen auf und umschlangen das Haus.
Der Gastraum leerte sich und alle begaben sich zu Bett.
Vinc und Zubla aber saßen noch zusammen in seinem Zimmer, denn sie hatten getrennte Gemächer bekommen. Sie schauten noch einmal den Inhalt des Kästchens an, doch er brachte nichts Neues.
Die Kerze auf dem Tisch flackerte. Es war ja auch kein Wunder, zumal die Fenster nur durch, flüchtig abgedichtete Bretter geschlossen waren. Da ja bekanntlich Glas unbekannt war und demnach auch nicht als Scheiben dienen konnten, jedenfalls in
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