Unheimliche Begegnungen (German Edition)
folglich würde er auch so ankommen. Wenn er entdeckt würde, könnte man ihm leicht etwas über den Schädel ziehen. Würde er es rückwärtskriechend versuchen, um mit den Beinen zuerst anzukommen, dann wäre das Problem noch schlimmer. Er würde nicht seine Ankunft sehen oder man könnte ihn etwas auf die Beine hauen oder ihn herausziehen und gefangen nehmen, wenn nicht sogar töten. Natürlich entschied er sich für das Vernünftigste und das war, mit dem Kopf zuerst kriechen.
Er robbte sich, langsam, sehr langsam voran, um schleifende Geräusche seines nachziehenden Körpers so gering wie möglich zu halten.
Wenn sich Personen in dem Raum jenseits der Röhre aufhielten, dann mussten sie diese Öffnung kennen und sie auch beobachten. Vielleicht nicht ständig ein Auge drauf werfen, wenigstens ab und zu. Natürlich wäre es fatal, wenn es ausgerechnet dann geschehe, wenn er mit seinem Kopf erschiene.
Doch jedes Wagnis hatte ein gewisses Risiko. Vinc Stärke war auch seine Behändigkeit. Wenn er entdeckt werden würde, so müsste er sich blitzschnell aus der Röhre hinausstoßen, um stehend einen Angriff abwehren zu können. Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Der kleine Tunnel hatte die Länge dreier Körperlängen von ihm. Doch wie überrascht war er, als er am Ende eine etwa sechs Meter breite Mauer vorfand, die sich beiderseits gleichmäßig ausbreitete, zu der Stufen hinaufgingen. Links und rechts am Ende staken Späne in Halterungen, die diesen Lichtschein in der Röhre verursachten. Vom Loch her musste sie, so schätzte er, einen Abstand von drei Metern haben.
Er hörte jenseits der Mauer, weiter im Innenraum, eine keifende Stimme, die er bereits schon einmal vernahm, nur konnte er sie im Moment nicht einer Person zuordnen.
„Ihr werdet reden, glaubt es mir!“
Dann vernahm er Peitschehiebe und einen Aufschrei. Ohne Zweifel, hier wurde eine Person gefoltert. Vinc hasste Marter, die meist an wehrlosen gefesselten Personen ausgeführt wurden und an denen sich der Folterknecht regelrecht vergnügte. Am liebsten wäre er vor die Mauer gesprungen und hätte dem Peiniger selbst eine Lektion mit seiner Peitsche erteilt. Doch Unbesonnenheit half weder ihm noch dem Opfer.
Er hörte etwas hinter sich. Er eilte die Stufen hinunter, um nach der Ursache zu schauen, aber er stellte nichts fest.
Nun galt es wirklich jedes Geräusch zu unterlassen, da sich bereits mehrere Personen in der Höhle befinden könnten.
Als Vinc einige der Stufen wieder emporgestiegen war und nun über die Kante der Mauer in die Höhle blicken konnte, sah er zu seinem Erstaunen die zerlumpte Wirtin vom Wirtshaus am Moor, die vor einem gefesselten am Boden Liegenden mit einer Peitsche in der Hand stand. Er bewegte seinen Kopf vor Schmerz hin und her.
Die Alte schien sich hier unten ziemlich sicher zu sein, denn sie kehrte ihren Rücken der Wand zu.
Vinc machte sich bereit rechts der Mauer hinausstürmen und die Alte angreifen. Er rechnete mit dem Überraschungseffekt.
Er tat es. Wie erwartet, war die Frau zunächst zutiefst erschrocken, doch dann geschah etwas Unerwartetes, aber zugleich auch Fürchterliches.
Als Vinc der Peitsche auswich, ging mit ihr eine Verwandlung vor. Ihr Körper verformte sich und er wurde größer und größer. Langsam entstand die Figur des bereits bekannten Ungeheuers vom See der Tränen, das sein Boot versenkt hatte.
Er wusste, gegen dieses Biest nicht den Hauch einer Chance zu haben, denn selbst wenn er es verletzen würde, mit dem Küchenmesser das er noch bei sich hatte, töten könnte er dieses Ungeheuer nicht.
Die einzige Möglichkeit selbst zu überleben war, Deckung hinter der Mauer zu suchen, denn da kam das Monstrum wegen seiner bereits unansehnlichen, mächtigen Körperfülle nicht hin. Es konnte auch nicht in dieser Gestalt in die Höhle, daher musste es sich zu dieser Frau verkleinern. Jedoch warum ausgerechnet zu dieser Wirtsfrau? Was war das für ein Gasthof gewesen? Vinc Überlegungen konnten nur von kurzer Dauer sein, denn er musste sich auf die Gefahr konzentrieren. Doch in seinen Gedanken setzte sich das Wort Geistergasthof fest.
Und wieder blieb es ein Rätsel, wer dieses Monster war und zu wem es gehörte.
Nun war guter Rat teuer. Einerseits musste er sein eigenes Leben schützen, anderseits wollten er auch diesen armen gefesselten und der Folter ausgesetzten Kreatur helfen.
Hinter der Mauer überlegte er sein weiteres Vorgehen.
Er sah nach beiden Seiten. Er hatte das
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