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Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Titel: Unheimliche Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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massiger wurden.
    Plötzlich standen sie vor einem Pult, auf dem ein Buch lag. Zunächst glaubten sie, es wäre einfach in dem Gang aufgetaucht, doch sie hatten in ihrer Aufregung und die Sorge um ihre Körper gar nicht bemerkt, dass sie in eine Halle gekommen waren.
    Auf dem Einband des Buchs sahen sie das zwölfeckige Dreieck.
    Wie von Geisterhand öffnete sich der Wälzer, der eine beachtliche Seitenzahl haben musste. Sie hatten sich mit letzter Kraft bis dahin geschleppt. Das Aufrechtstehen bereitete ihnen viel Mühe. Am liebsten hätten sie sich auf den Boden gelegt und geschlafen. Doch Vanessa hielt die Fackel krampfhaft über das Buch, so dass Vinc, wenn auch schleppend, aber dennoch vernehmlich, laut vorlesen konnte.
    „Stellt euch den hunderttausendstel Teil vor, der unerklärlich ist, aber dennoch existiert, im großen Universum. Nehmt den Wind.
    Er ist die größte Naturkraft, er wirft Wesen zu Boden, zerstört Häuser, entwurzelt Bäume, peitscht das Meer zu haushohen Wellen, zerstört Steilküsten und schleudert gewaltige Schiffe auf die Klippen.
    Der Wind tötet, pfeift, stöhnt, brüllt. Aber wurde er jemals gesehen, kann er überhaupt gesehen werden? Dennoch ist er da.“
    Sie verstanden zwar der Sinn dieser Worte, denn Vinc machte in Hinsicht auf die Steilküste, indem er sie mit Helgoland verglich, eine Bemerkung, dennoch wussten sie nicht, inwieweit der Wind für sie von Bedeutung sein sollte. Warum ausgerechnet diese Seite aufgeblättert wurde.
    Wieder wurde von unsichtbarer Hand eine Seite umgeblättert. Vinc las erneut: „Das Auge ist so schwach und unvollkommen, dass es nicht einmal feste Körper wahrnimmt, wenn sie durchsichtig wie Glas sind. Wenn eine Glasscheibe den Weg versperrt, die ganz klar und rein ist und an den Seiten nicht eingefasst, dann prallt man an ihr ab, wie ein Vogel, der sich im Zimmer verflogen hat und sich an einer Glasscheibe den Kopf stößt. Tausend andere Dinge täuschen das Auge. Da ist es nicht verwunderlich, dass es einen Körper, der lichtdurchlässig ist, nicht wahrnimmt.
    Feuer ist die Kraft, die viele fürchten. Das Unsichtbare aber kann auch Wind erzeugen. Es vernichtet Papier und lässt das Gelesene nur noch im Kopf existieren, denn alles wird zu Schall und Rauch. Die Asche aber, gestreut gegen den Wind, wird sich verbreiten, um am Ende sich zu sammeln, um neu zu erscheinen, gegen die Scheibe fliegen und den verirrten Vogel vor dem Unsichtbaren warnen und den Weg des sicheren Flugs zeigen.“
    Vinc hielt erschöpft inne. Was sollten diese gelesenen Sätze bedeuten?
    Der Wind, das Auge und das lichtdurchlässige, das Unsichtbare und Feuer.
    Sie konnten sich nicht unterhalten, ihre Stimmen schienen nicht mehr vorhanden zu sein. Oder hörten sie nichts mehr? Er sah neben sich seine Freundin und er sah ihre Mundbewegungen, doch kein Laut drang über ihre Lippen. Stille beherrschte die gruslige Umgebung.
    Rief da nicht der Nachtvogel zum zweiten Mal?
    Plötzlich wusste Vinc, was er tun musste. Er riss der verdutzten Vanessa die Fackel aus ihrer kraftlos gewordenen Hand und zündete das Buch an.
    Sie wichen mit letzter Kraft zurück, während sich das Buch und das Pult entzündeten.
    Sie sahen Teile von Papierfetzen in die Luft fliegen. Es schien über dem Pult ein Sog zu sein, denn die Flammen züngelten hoch. So erklärte sich der Wind. Das Feuer verursachte eine Luftströmung und damit auch Wind.
    Nun bekamen die Sätze langsam einen tieferen Sinn.
    Die herumfliegende Asche schwebte in den Raum, der durch das Feuer fast ausgeleuchtet war. Er schien nicht groß, eher einer kleinen Stube eines Klosters ähnlich, in der ein Mönch seine Unterkunft hatte. So sah es auch aus, wie die Unterkunft eines Büßers. Ein einfach gezimmertes Holzbett, ein schlichter, von Holzwürmern befallener Schrank, dessen Türen schief in den Zargen hingen und nicht mehr zu schließen gingen. Und das Pult mit dem Buch, die fast schon den Flammen zum Opfer gefallen waren.
    Und nun merkten sie die unerträgliche Hitze, die sich in dem beengten Gemach ausbreitete. Das Feuer griff auf das Bett über. Sie merkten immer mehr die Lähmung, die sie überfiel. Vinc zog seine Freundin an die Tür. Doch sie ließ sich nicht öffnen. Jetzt erst fiel ihm auf, dass sie gar nicht bemerkt hatten, einen Raum zu betreten.
    Endlich sahen sie gegenüber eine fehlende Wand. Es schien, als würde der Raum sich nahtlos anschließen. Oder waren sie von dort gekommen und hatten deshalb die Tür nicht

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