Unheimliche Begegnungen (German Edition)
äußerte, verlor das Böse in dir an Einfluss und du warst befreit und der Wächter zum Tor der bösen Seite floh wegen eurer Liebe zueinander. Liebe ist eine der stärksten Waffen. Nur eine Risikoreiche, denn nicht bei jeder Gelegenheit funktioniert sie genau, wie wir nicht wissen, wie weit die Kraft des magischen Zwölfecks reicht.“
Seine Redseligkeit nutzte auch Vanessa zu einer Frage: „Wieso spürte ich das Herz, das Vinc trug, denn wenn er fester zugriff, tat auch meins weh?“
Die Wächterin schien zu überlegen. Sie rang wohl mit sich, ob sie es ihr verraten solle oder nicht. Doch dann entschloss sie sich, es nur teilweise zu tun.
„Ihr werdet es eines Tages erfahren. Dem Herz darf nichts passieren. Wird es zerstört, ist auch euer Leben verwirkt. Mehr darf ich nicht sagen, denn wenn ihr zu viel davon wisst, dann kann es für uns, aber auch für euch, gefährlich werden.“
Aber nun schien sie nichts mehr beantworten zu wollen, denn sie fragte nach dem Drianaerz, das ihm Vanessa überreichte.
Sie deutete anschließend auf die fliegenden Schatten und dem heruntertropfenden Blut.
„Sie bewachen mit mir die Krypta. Das sind die Geisterkinder von dem Friedhof vor der Kapelle, dem Eingang zur bösen Seite“, so seine erklärende Antwort. Doch nun trieb sie zur Eile an. „Es ist gleich Mitternacht. Wenn der Nachtvogel dreimal ruft, öffnet sich die Kapelle und ihr könnt ungehindert zurück auf die gute Seite. Der Friedhof befindet sich direkt über uns. Vergesst nicht, den Ruf des Vogels zu hören. Verpasst ihr ihn, geschieht Fürchterliches.“
Mit den nicht gerade erbaulichen Worten begleitete sie, sie bis an einen Ausgang der Höhle, worauf sie wieder im Halbdunkel standen. Ihre Fackel war ausgetauscht worden und sie bekamen eine von den Wänden, die an der Höhle gesteckt hatten. Noch unter dem Eindruck des Erlebten standen sie eine Zeit schweigend da.
„Merkwürdig“, meinte Vinc, „ob das nicht einer der Bösen war? Vielleicht kam er durch diesen Trick an das Herz.“
Vanessa griff sich unverhofft an ihr eigens: „Ich hab einen Stich gespürt, als habe man mir einen Dolch hineingestoßen.“
„Ich glaube, das bildest du dir nur ein“, beruhigte er sie.
„Vielleicht. Aber zu wissen, dass, wenn dem anderen Herzen etwas passiert, mir auch der Tod droht, ist nicht gerade beruhigend.“
Die Fackel beleuchtete begrenzt ihr dunkles Vorfeld, in das sie nur mit halbem Mut schritten, denn sie ahnten, dass sie dem Bösen noch nicht entronnen waren. Die Krypta musste wohl eine Art Oase im Bereich des Bösen sein, eine Insel der Neutralität, geschützt durch das Zeichen der magischen Zwölf.
Wie lange war es noch bis Mitternacht? Wie weit der Weg zur Kapelle?
Fragen, die in dieser Dunkelheit und unsicherer Zukunft wohl nicht leicht eine Antwort bekamen.
Sie schritten ohne Ende und sie erinnerten sich dabei an die Worte der Wächterin, dass sie sich unmittelbar unter dem Friedhof befunden hätten. Müsste da nicht bereits ein Aufgang zu sehen sein? Schließlich war der Friedhof in seinem Umfang begrenzt, so ihre Erinnerung, als sie ihn einmal am Tag aufsuchten.
Nach und nach empfanden sie jedoch ein unerklärliches Unbehagen, es schien ihnen, als würde sie eine Kraft, eine ungeahnte Kraft, lähmen, sie aufhalten, am Weitergehen hindern, sie zurückrufen.
Etwas ergriff von ihren Seelen Besitz und fing an, sie zu beherrschen. Sie wussten, sie gerieten immer mehr in den Bann des Herrschers der dunklen Seite, der sie daran hindern wollte, den rettenden Ausgang zu erreichen.
Etwas befehligte ihre Seelen und unterdrückte sie.
Irgendetwas befahl, was sie tun sollten, bestimmte ihre Bewegungen und Gedanken.
Sie hatten keine Kraft mehr, keinen Mut, keine Selbstbeherrschung, keine Willenskraft. Sie hatten kaum noch einen Willen und gehorchten.
Was war nur dieses Unsichtbare, das sie beherrschte? Ein Wesen einer völlig anderen Art, als sie bisher kannten?
Wenn sie es nur abschütteln, wenn sie nur weggehen könnten. Fliehen ohne Rückkehr. Sie wären gerettet, aber sie konnten nicht.
Was war das? Rief da nicht der Vogel, dessen dritten Ruf sie nicht versäumen durften, sonst wären sie verloren?
Vanessa wollte Vinc deswegen fragen, doch ihre Stimme schien von derselben Lähmung erfasst, wie sie auch allmählich dem Körper überkam. Die Gliedmaßen wurden allmählich steifer und sie meinten, flüssiges Blei würde ihnen in die Adern gepumpt, die sich erweiterten und dadurch schwerer und
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